Bundesarbeitsgemeinschaft
 Psychiatrie-
  Erfahrener e.V.

 

S t r a f a n z e i g e

 

 

 

In der neuen Strafsache gegen

Bentele, Hildegard, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Braun, Michael, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Brauner, Matthias, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Czaja, Mario, Fritz-Reuter-Straße 11, 12623 Berlin

Dietmann, Michael, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Dregger, Burkard, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Evers, Stefan, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Freiberg, Michael, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Freymark, Danny, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Friederici, Oliver, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Dr. Garmer, Michael, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Goiny, Christian, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Graf, Florian, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Gram, Andreas, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Hausmann, Dr. Hans-Christian, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Dr. Heide, Manuel, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Henkel, Frank, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Herrmann,  Alexander, Wohnort  unbekannt,  Dienstsitz:  Niederkirchnerstraße  5,  10117 Berlin

Dr. Juhnke, Robbin, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Jupe, Claudio, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Klaer, Markus, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Dr. Korte, Niels, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Krüger, Joachim, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Dr.  Lehmann-Brauns,  Uwe,  Wohnort  unbekannt,  Dienstsitz:  Niederkirchnerstraße  5, 10117 Berlin

Lenz, Stephan, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Luchterhand, Joachim, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Dr. Ludewig, Gottfried, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Melzer, Heiko, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Rissmann, Sven, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Schlede, Stefan, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Schultze-Berndt, Jakob, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Seibeld, Cornelia, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Simon, Roman, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Stettner, Dirk, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Thamm, Monika, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Trapp, Peter, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Vogel, Katrin, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Wansner, Kurt, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Zeelen, Tim Christopher, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Lauer, Christopher, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Dr. Arndt, Michael, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Becker, Franziska, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Buchholz, Daniel, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Buchner, Dennis, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Dr. Czyborra, Ina, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Flesch, Kirsten, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Grosse, Burgunde, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Halsch, Karin, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Harant, Renate, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Haußdörfer, Ellen, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Heinemann, Sven, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

senberg, Thomas, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Jahnke, Frank, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Jauch, Andy, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Karge, Thorsten, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Karsten, Nikolaus, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Dr. Kitschun, Susanne, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Kohlmeier, Sven, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Köhne, Irene, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Dr. Költzsch, Gregor, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Kolat, Dilek, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Kreins, Ole, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Kugler, Andreas, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Lange, Brigitte, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Langenbrinck, Joschka, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Lehmann, Rainer-Michael, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Lubawinski, Alex, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Müller, Michael, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Jüdenstr. 1, 10178 Berlin

Nolte, Karlheinz, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Oberg, Lars, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Ollech, Liane, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Özkaraca, Erol, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Radziwill, Ülker, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Saleh, Raed, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Chaddach, Robert, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Scheeres, Sandra, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Schneider, Torsten, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Schreiber, Tom, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Spranger, Iris, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Verrycken, Fréderic, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Dr. West, Clara, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Wieland, Ralf, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin
Wildenhein-Lauterbach, Bruni, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Zimmermann, Frank, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Özιşιk, İlkin, Wohnort unbekannt, Dienstsitz: Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

 

wegen: Verdachts auf versuchte gefährliche Körperverletzung in einer Vielzahl von Fällen u.a.

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

hier zeige ich an, daß mich die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V. beauftragt hat, jeden strafrechtlich relevanten Anfangsverdacht gegen Politiker, Sachverständige, Beamte u.a., im Zusammenhang mit der Schaffung des am 17.06.2016 durch das Abgeordnetenhaus zu Berlin beschlossenen Gesetzes zur Ermöglichung der psychiatrischen Zwangsbehandlung von Menschen bei den zuständigen Behörden anzuzeigen. Ordnungsgemäße Bevollmächtigung wird durch beigefügte Vollmacht nachgewiesen.

 

Namens und im Auftrag meines Mandanten erstatte ich

 

S t r a f a n z e i g e

 

und stelle i.ü.

 

S t r a f a n t r a g

 

gegen den Beschuldigten Czaja und gegen alle an der Ausarbeitung, Veränderung, Verabschiedung und Unterzeichnung des vorbezeichneten Gesetzes beteiligten Personen, namentlich wegen

 

  • versuchter gefährlicher Körperverletzung in einer Vielzahl von Fällen,
  • versuchter schwerer Körperverletzung in einer Vielzahl von Fällen

 

sowie wegen

 

  • jeder weiteren in Frage kommenden Straftat.

 

Zur Begründung trage ich namens und im Auftrag meines Mandanten wie folgt zur Sach- (A.) und Rechtslage (B.) vor:

 

A. Sachverhalt

 

I. Grundlagen  der  „ Freiheit  auf  Krankheit “  oder besser: des Schutzes des  Einzelnen vor Übergriffen in seine physische und psychische Integrität im deutschen Recht

 

1. Die gesellschaftspolitische Konzeption unter dem GG

 

Das deutsche Recht basiert auf einer freiheitlichen Grundordnung oder wird durch diese jedenfalls bestimmt. Die aktuelle Nachkriegsverfassungsordnung geht grundsätzlich von der Handlungsfreiheit des Einzelnen aus, die nur durch die Rechte anderer begrenzt wird. Hiernach muß sich auch vorkonstitutionelles einfaches Recht richten; es wird durch die geltende Verfassungsordnung insofern begrenzt. Einzelne vorkonstitutionelle Bestimmungen einfachen Rechts können daher – möglicherweise bislang ungerügt – verfassungswidrig sein.

 

Auf der Grundlage der vorbezeichneten grundsätzlichen Freiheit des Individuums in unserer Verfassungs- und Gesellschaftsordnung muß niemand sich die Meinung, die Religion, die Weltanschauung oder auch die „Fachmeinung“ anderer oktroyieren lassen. Aufgrund der grundsätzlichen Freiheit des Einzelnen muß sich auch niemand in Deutschland gegen seinen Willen behandeln lassen oder Eingriffe in seine körperliche und / oder psychische Integrität dulden.

 

Diese Rechtskultur ist die Grundlage für die sog. Freiheit auf Krankheit. Die Freiheit geht somit soweit, daß auch ein Kranker keine, auch keine medizinisch vorgeblich indizierten, Eingriffe in seine körperliche Integrität dulden muß. Jede Behandlung wider Willen, jede Zwangsbehandlung ist daher eine Mißhandlung!

 

2. Die Freiheit auf körperliche Unversehrtheit in der Auslegung des BVerfG

 

Das Bundesverfassungsgericht hat unsere Gesellschaftsordnung insofern zumindest zum Teil richtig erkannt und in seiner sich entwickelnden Rechtsprechung mehrfach das „Recht zur Krankheit“ anerkannt (vgl. BVerfGE 58, 208 (226); BVerfGE 30, 47 (53); BVerfGE 22, 180 (219)) und zuletzt BVerfG, Beschluß v. 26.07.2016, 1 BvL 8/15, Rz. 74). Ungeachtet dessen, daß sich der Begriff der „Krankheit“, zumal der Begriff der „psychischen Krankheit“ objektiv schlechthin nicht definieren läßt, weil er stets von zeitbedingten Anschauungen, persönlichen Meinungen, allgemeinen und individuellen Überzeugungen, Deutungen, politischem Willen, ökonomischen Interessen, Glauben, Religion, Weltanschauung, Mehrheitsakzeptanz usf. geprägt ist, hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Hilfskonstruktion des „Rechts zur Krankheit“ aber auch für den Fall, daß ein Mensch als krank bezeichnet werden sollte, dessen individuellen Freiheitsanspruch anerkannt. Namentlich hat das Bundesverfassungsgericht diesen Grundsatz für psychiatrisierte Menschen in seinem Grundsatzbeschluß vom 23.03.2011 zu Az. 882/09, Rz. 48 in dankenswerter Weise klargestellt und diese Entscheidung in seinem Beschluß vom 13.10.2011 zu Az. 2 BvR 633/11 bestätigt.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar den Schutz des Einzelnen vor Eingriffen in seine physische und psychische Integrität nicht absolut anerkannt und sich zur Begrenzung der Freiheit insofern gerade auf diese Freiheit berufen: die Freiheit des Einsichtsunfähigen gebiete es, diesem auch ohne seinen geäußerten Willen Behandlung zukommen zu lassen (BVerfG, Beschluß vom 23.03.2011, aaO., Rz. 51). Ähnlich nimmt es im jüngsten Beschluß zu Az. 1 BvL 8/15 eine Abwägung vor und weitet den Bereich möglicher Zwangsbehandlungen letztlich sogar aus.

 

Diese Konzeption geht von einer grundsätzlich positiven Bewertung von „Hilfe“ aus und verkennt gewiß, daß „Hilfe“ oft zur Durchsetzung sachfremder Interessen mißbraucht wird und  grundsätzlich  ein  Machtverhältnis  zwischen  dem  Helfer  und dem  Hilfeempfänger schafft, wie auch, daß medizinisches Wissen seiner Natur nach stets rudimentär bleiben muß. Wahr ist insofern, daß, wie oben dargestellt, Zwangsbehandlungen von Menschen, also Behandlungen gegen deren natürlichen Willen, stets rechtswidrig sind (insofern BVerfG, Beschluß v. 26.07.2016, Rz. 51). Auch ein geistig eingeschränkter oder behinderter Mensch hat selbstverständlich ein Recht zur Krankheit und sogar auch ein Recht zum Suizid (vgl. insofern Schneider-Addae-Mensah, PflR 12/2014, [771] 776 f.). Eine andere Sichtweise wäre diskriminierend, mithin auch behindertendiskriminierend und ein Verstoß gegen die VN-BRRK. Eine Degradierung geistig Behinderter zu „willenlosem Fleisch“, das über den eigenen Körper nicht mehr zu entscheiden hat, stellt eine Degradierung dieser Menschen zum bloßen Objekt – in diesem Falle eines vorgeblichen Hilfesystems – dar und verletzt daher die Menschenwürde dieser Betroffenen gemäß Art. 1 Abs. 1 GG.

 

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts können insofern als typische Gutmenschen bezeichnet werden, die weitgehend abgehoben von der Realität entscheiden. Nichtsdestotrotz haben sie immerhin erkannt und nunmehr wiederholt in ständiger Rechtsprechung bestätigt, daß Ausnahmen vom Grundsatz der körperlichen Unversehrtheit nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich sind. Im Einzelnen hat das Bundesverfassungsgericht, zusammengefaßt, im Beschluß vom 23.03.2011 folgende Voraussetzungen für eine psychiatrische Zwangsbehandlung aufgestellt:

 

a) Materielle Voraussetzungen

 

-   Ultima ratio der Zwangsbehandlung – getting to yes des Patienten (BVerfG, aaO., Rz.58),

-   Konkretisierung der Behandlung, ihrer Art, Dauer und Dosierung (ebd., Rz. 60, 65),

-   Geeignetheit und Erforderlichkeit (ebd. Rz. 61).

 

b) Formelle Voraussetzungen

 

-   Rechtzeitige Ankündigung zur Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes (BVerfG, a.a.O., Rz. 63 f.),

-   Anordnung und Überwachung durch einen Arzt (ebd., Rz. 66),

-   Dokumentationspflicht  hinsichtlich  Zwangscharakter  der  Maßnahme, Durchsetzungsweise, maßgeblicher Gründe der Maßnahme und Wirkungsüberwachung (ebd., Rz. 67),

-   Unabhängige Vorabprüfung außerhalb der Einrichtung (ebd., Rz. 69 ff.),

 

Unter Randziffer 73 seines vorbezeichneten Grundsatzbeschlusses hat das BVerfG zur Umsetzung des Bestimmtheitsgrundsatzes in diesem Zusammenhang ausgeführt:

 

„Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs müssen hinreichend klar und bestimmt geregelt sein (vgl. für den Strafvollzug i.w.S. BVerfGE 116, 69 <80>, m.w.N.). Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfGE 49, 168 <181>; 59, 104 <114>; 78, 205 <212>; 103, 332 <384>). Die notwendige Bestimmtheit fehlt nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist (vgl. BVerfGE 45, 400 <420>; 117, 71 <111>; stRspr). Die Betroffenen müssen jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 103, 332 <384>; 113, 348 <375>, m.w.N.), und die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden (vgl. BVerfGE 110, 33 <54>; 113, 348 <375>). Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehört die Klarheit (vgl. BVerfGE 78, 214 <226>; 115, 166 <190>; 119, 331 <366>; stRspr) und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit (vgl. BVerfGE 98, 106 <118 f.>; 108, 169 <181, 183>; 119, 331 <366>; stRspr) der Norm. Die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit sind umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht (vgl. BVerfGE 59, 104 <114>; 75, 329 <342>; 86, 288 <311>; 110, 33 <55>; 117, 71 <111>). Für die näheren Anforderungen kann, nicht zuletzt in der Frage, inwieweit Maßgaben, die sich aus dem Grundgesetz ableiten lassen, ausdrücklicher und konkretisierender Festlegung im einfachen Gesetz bedürfen, auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung sein (vgl. BVerfGE 110, 33 <64>; 123, 39 <81>).

 

In den folgenden Randziffern 74 ff. seines Grundsatzbeschlusses führt das Gericht im dortigen konkreten Fall aus, weshalb die Bestimmtheitsanforderungen durch die einschlägige landesrechtliche Regelung nicht erfüllt waren.

 

II. Das streitgegendständliche Berliner Gesetz

 

Nach der als bekannt vorausgesetzten Debatte infolge der Zwangsbehandlungsrechtsprechung von BVerfG und BGH kam es auf Bundes- wie auf Landesebene zu diversen Neuregelungen der psychiatrischen Zwangsbehandlung.

 

Das hier inkriminierte Berliner Gesetz geht in § 28 Abs. 3 PsychKG B von einem Einwilligungserfordernis des Betroffenen aus. In Abs. 5 regelt es dann schon inkonsequenter den Fall, in dem diese Einwilligung nicht vorliegt, weil dem Betroffenen die Einwilligungsfähigkeit fehlt. Statt hier keine weitere Regelung zu treffen und bei Einwilligungsunfähigkeit des Betroffenen eine Behandlung generell rechtswidrig zu stellen, versucht das Gesetz hier bereits den Zwang durch die Hintertür der Auslegung ins Spiel zu bringen.

 

§ 6 PsychKG B läßt dann explizit die Zwangsbehandlung unter engen Voraussetzungen zu und lautet:

 

„(6) Kann eine untergebrachte Person aufgrund ihrer krankheitsbedingten Einwilligungsunfähigkeit die mit einer Behandlung gegebene Chance einer Heilung nicht erkennen oder nicht ergreifen, ist ausnahmsweise eine ihrem natürlichen Willen widersprechende, insbesondere medikamentöse Zwangsbehandlung der Anlasserkrankung zulässig, wenn diese ausschließlich mit dem Ziel vorgenommen wird, die Einwilligungsfähigkeit überhaupt erst zu schaffen oder wiederherzustellen. Eine Zwangsbehandlung darf nur als letztes Mittel und nur unter strikter Einhaltung der folgenden Maßgaben durchgeführt werden:

 

1. Weniger eingreifende Behandlungen haben sich als erfolglos erwiesen oder können nicht vorgenommen werden.

 

2. Der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch, eine auf Vertrauen gegründete Einwilligung in die Behandlung zu erreichen, ist erfolglos geblieben.

 

3. Die untergebrachte Person ist gemäß Absatz 2 durch eine Ärztin oder einen Arzt über das Ob und Wie der vorgesehenen Zwangsbehandlung entsprechend ihrer Verständnismöglichkeit aufzuklären.

 

4. Die vorgesehene Zwangsbehandlung muss erfolgversprechend sein. Ihr zu erwartender Nutzen muss deutlich die mit ihr einhergehenden Belastungen oder möglichen Schäden überwiegen. Eine Veränderung des Kernbereichs der Persönlichkeit muss dabei ausgeschlossen sein.

 

5. Die Zwangsbehandlung ist durch eine Ärztin oder einen Arzt der Einrichtung anzuordnen. Dabei sind auch die Art und die Intensität der ärztlichen und pflegerischen Überwachung festzulegen.

 

6. Die Zwangsbehandlung ist hinsichtlich ihrer Art und Dauer, gegebenenfalls einschließlich erforderlicher Wiederholungen, zeitlich zu begrenzen. Die Medikation und die durchzuführenden Kontrollen sind von der anordnenden Ärztin oder dem anordnenden Arzt auf Wirksamkeit und mögliche Unverträglichkeiten einzelfallbezogen genau zu bestimmen.

 

7. Vor der Durchführung der Zwangsbehandlung der untergebrachten volljährigen Person hat die Einrichtung die vorherige Zustimmung des Betreuungsgerichts einzuholen. Betrifft die beabsichtigte Zwangsbehandlung eine minderjährige untergebrachte Person, ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich.

 

8. Die Zwangsbehandlung ist insgesamt unverzüglich abzubrechen, wenn sie sich als nicht mehr verhältnismäßig erweist.

 

9. Nach Abschluss der Zwangsbehandlung sind ihr Verlauf, ihre Wirkungen und die daraus zu ziehenden Folgerungen mit der untergebrachten Person zu besprechen. Hierbei ist die psychisch erkrankte Person in verständlicher Art und Weise über ihre Rechte, den gerichtlichen Rechtsschutz und die Möglichkeit zur Beschwerde gemäß § 11 aufzuklären. Die Aufklärung ist zu dokumentieren.“

 

§ 7 PsychKG B geht noch weiter und erlaubt bei akuten Fällen:

 

„(7) Bei Lebensgefahr oder gegenwärtiger erheblicher Gefahr für die eigene Gesundheit (Gefahr im Verzuge) ist eine, insbesondere medikamentöse Zwangsbehandlung der untergebrachten Person auch gegen ihren natürlichen Willen zulässig, wenn

 

1. die Durchführung besonderer Sicherungsmaßnahmen nach § 39 nicht ausreicht oder geeignet ist, um die Gefahr abzuwenden,

 

2. die untergebrachte Person nicht einwilligungsfähig ist und

 

3. der Einrichtung eine wirksame Patientenverfügung, die eine die Selbstgefährdung abwehrende Behandlung untersagt, nicht vorliegt.

 

Die Entscheidungen über die Anordnung der Zwangsbehandlung und ihre Überwachung trifft eine Ärztin oder ein Arzt. Soll nach der akuten Notfallsituation eine Weiterbehandlung der untergebrachten Person erfolgen, ist unverzüglich die Genehmigung des Betreuungsgerichts einzuholen. Die rechtliche Vertretung wird über die Durchführung einer Zwangsbehandlung unverzüglich informiert. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch bei der Notfallbehandlung zu beachten. Die ohne oder gegen den Willen der untergebrachten Person vorgenommenen Maßnahmen sind zu beenden, wenn sie nicht mehr zur Lebensrettung oder zur Abwendung gegenwärtiger Gesundheitsgefahr erforderlich sind oder mit Einwilligung fortgesetzt werden können. Sobald möglich, sind Voraussetzung, Verlauf und Folgerungen der Notfallbehandlung mit der untergebrachten Person zu besprechen. Hierbei ist die psychisch erkrankte Person in verständlicher Art und Weise über ihre Rechte, den gerichtlichen Rechtsschutz und die Möglichkeit zur Beschwerde gemäß § 11 aufzuklären. Die Aufklärung ist zu dokumentieren.“

 

Hieraus ergibt sich, daß die Zwangsbehandlung im Normalfall auch ohne Selbstgefahr unter den einschränkenden Voraussetzungen des Absatz 6 möglich ist und im Falle einer Selbstgefahr sogar ohne diese einschränkenden Voraussetzungen. Dies ergibt sich letztlich auch aus der Gesetzesbegründung zu Absatz 7 (DS 17/2696 vom 28.01.2016, Seite 94). Zwar sind auch bei „Gefahr im Verzug“, also Selbstgefährdung gesetzliche Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung normiert. Diese genügen aber bei Weitem nicht den

verfassungsgerichtlichen und bundesgerichtlichen Vorgaben.

 

Namentlich fehlen dem neuen Gesetz:

 

-    Rechtzeitige Ankündigung zur Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes;

-    Dokumentationspflicht  hinsichtlich  Zwangscharakter  der  Maßnahme,  Durchsetzungsweise, maßgeblicher Gründe der Maßnahme und Wirkungsüberwachung (insofern ist zwar in Art. 4 Ziffer 2 b) des Entwurfs von einer Dokumentationspflicht die Rede, die vorbezeichneten Objekte dieser Dokumentation werden jedoch nicht genannt);

-   unabhängige Vorabprüfung außerhalb der Einrichtung;

-   Verbot der Zwangsbehandlung bei reiner Fremdgefährdung (s. insofern auch die Stellungnahme des Vereins bipolaris vom 24.03.2016, S. 2, im Gesetzgebungsverfahren).

 

Bei akuter Zwangsbehandlung fehlen nahezu alle vom BVerfG und BGH aufgestellten Verhältnismäßigkeitskriterien. In diesen Fällen läßt sich von einem regelrechten Ermächtigungsgesetz sprechen.

 

Hinsichtlich der rechtzeitigen Ankündigung fehlt es an einer expliziten Regelung im neuen Gesetz. Zwar enthält das Gesetz einen Richtervorbehalt, was nicht bei allen Länderneuregelungen (etwa in Hessen) der Fall ist. Doch ersetzt auch eine richterliche Vorprüfung nicht die Ankündigung dem Betroffenen gegenüber. Möglicherweise erfolgt ja eine solche richterliche Vorprüfung ohne dessen Anhörung, was in Ausnahmefällen durch das FamFG gestattet ist. Effektiver Rechtsschutz ist somit nicht in jedem Fall gewährleistet.

 

Die Dokumentationspflicht fehlt hinsichtlich der Maßnahme selbst. Sie ist in § 28 Abs. 6 Nr.

9 PsychKG B nur hinsichtlich der Nachbesprechung der Zwangsbehandlung mit dem Betroffenen normiert.

 

Eine Bestimmung, wonach eine unabhängige, also externe, gutachterliche Vorprüfung stattzufinden hat, fehlt völlig.

 

Das Gesetz mißachtet die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, wonach bei reinen

Fremdgefährdungen Zwangsbehandlungen generell unzulässig sind (BVerfG, Grundsatzbeschluß vom 23.03.2011 zu Az. 882/09, Rz. 46). Es weitet den Bereich der Zwangsbehandlung hier in verfassungswidriger Weise aus.

 

In der 83. Sitzung des Abgeordnetenhauses zu Berlin am 09.06.2016 stimmten die oben namentlich als Beschuldigte aufgeführten Abgeordneten, darunter auch der zuständige Regierende Bürgermeister, der Beschuldigte Müller, und der zuständige Gesundheitssenator, der Beschuldigte Czaja, für dieses als Foltergesetz zu bezeichnende Gesetz, obwohl sie wußten, daß es die gefährliche oder gar schwere Körperverletzung von Menschen ermöglicht und nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht.

 

Der Tatverdacht erstreckt sich insofern auch mindestens auf den Sachverständigen Dr. Kammeier, der an der Neuregelung als Experte mitgewirkt haben soll. Genaueres müssen die Ermittlungen ergeben.

 

B. Rechtslage

 

Gegen die Beschuldigten besteht zumindest der Anfangsverdacht versuchter gefährlicher und versuchter schwerer Körperverletzung in einer Vielzahl von Fällen. Dies sind keine Antragsdelikte, so daß vorliegende Anzeige zur Aufnahme von Ermittlungen gegen die Beschuldigten ausreicht.

 

Hilfsweise wird vorliegend jedoch auch form- und fristgemäß Strafantrag gestellt.

 

I. Tatbestandsmäßigkeit

 

1. Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB

 

Die zwangsweise Verabreichung von Psychopharmaka an potentielle Geschädigte stellt eine Verabreichung von Gift iSd. § 224 Abs. 1 Nr. 1 dar.

 

Der Einsatz einer Spritze hierzu unterfällt dem Gefährlichen-Werkzeug-Begriff der Nr. 2. derselben Vorschrift.

 

IdR. wird eine ärztliche Zwangsmaßnahme zudem durch mehrere Ärzte und Pfleger erfolgen (dem Unterzeichner sind aus seiner beruflichen Praxis regelmäßig Fälle von acht gegen einen plus ggf. örtlicher Polizei bekannt), so daß diese gemeinschaftlich iSv. § 224

Abs. 1 Nr. 4. StGB handeln.

 

Die hier bereits genannten Beschuldigten dürften in Mittäterschaft gehandelt haben, da deren jeweilige Tatbeiträge sich gegenseitig ergänzen und zusammen eine Gesamttat bilden. Insgesamt hat daher jeder Beschuldigte einen Tatbeitrag geleistet, der nicht hinweggedacht werden kann ohne daß der konkrete Taterfolg, die Zwangsmedikation der Geschädigten entfiele. Namentlich hätte es ohne die Initiative des Beschuldigten Ziffer 4, dem Gesundheitssenator Czaja wohl gar keinen parlamentarischen Gesetzentwurf gegeben.

 

Die Politiker, Sachverständigen und Beamten, die mit der Schaffung des vorliegenden Mißbrauchs-Gesetzes befaßt waren und ihn befürwortet haben, hatten damit selbst Tatherrschaft und sind nicht bloße Anstifter gewesen.

 

Eine Tatbegehung in mittelbarer Täterschaft scheidet vorliegend wohl aus, da die tatausführenden „Pfleger“ und Ärzte keine willenlosen dolosen Werkzeuge sein werden sondern einen eigenen Handlungswillen hatten und ein eigenes Handlungsunrecht verwirklichen werden. Allenfalls dann, wenn diese im unvermeidbaren Verbotsirrtum handeln sollten, weil sie die Verfassungswidrigkeit des vorliegenden Gesetzentwurfs nicht durchschauen, könnte auch an mittelbare Täterschaft der Beschuldigten gedacht werden.

 

Die Beschuldigten handelten daher insgesamt als Mittäter gemäß § 25 Abs. 2 StGB und auch gemeinschaftlich iSd. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, hilfsweise auch als mittelbare Täter.

 

Ihnen waren die vorgenannten Tatumstände auch bewußt und sie handelten dennoch. Ihnen war insbesondere die Verfassungswidrigkeit ihres Tuns und die völlige verfassungsrechtliche Unzulänglichkeit ihres Entwurfs voll bewußt. Der Foltercharakter ihres Gesetzes ist jedem Schulkind einleuchtend.

 

2. (Versuchte) schwere Körperverletzung, § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB

 

Angesichts der erheblichen Gesundheitsgefahren, die mit der Verabreichung sog. Psychopharmaka verbunden sind, drohen auch schwere Gesundheitsschäden, die beschönigend oft als „Nebenwirkungen“ bezeichnet werden. Allerdings sind auch die – durch die Verabreicher gewollten – Hauptwirkungen jener Substanzen höchst schädigend, wirken entweder sedierend oder im Gegenteil machen aggressiv und verändern regelmäßig Charaktäre auf chemischem Wege. Die Menschen können nicht mehr still sitzen, werden inhaltlich aber völlig teilnamslos und vegetieren im Spätzustand nur noch vor sich hin, entwickeln Psychosen, Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Nicht wenige werden durch diese Wirkungen in den Tod getrieben hat. So gesehen geht mit der Zwangsmedikation sogar eine Lebensgefahr einher, jedenfalls aber die Gefahr einer nachhaltigen Gesundheitsbeschädigung und dauernden Siechtums. Dies dürfte auch der Straftatbestand der versuchten schweren Körperverletzung verwirklichen.

 

Zwar sieht der Gesetzeswortlaut insofern, in Übereinstimmung mit der a.F., ausdrücklich vor, daß „persönlichkeitsverändernde Behandlungen“ generell verboten sein sollen. Dies schlösse indes jedwede psychopharmakologische Behandlung aus, denn diese ist regelmäßig, und von den Psychiatern gewollt, persönlichkeitsverändernd. Angesichts des tatsächlichen Einsatzes von Psychopharmaka in der psychiatrischen Zwangsbehandlung in der Vergangenheit und Gegenwart mußte den Beschuldigten bei Schaffung ihres Gesetzes daher klar gewesen sein, daß dieses für die handelnden Psychiater als Freibrief zur persönlichkeitsverändernden „Be“handlung von Menschen verstanden und genutzt werden würde.

 

Es besteht daher auch mindestens ein Anfangsverdacht hinsichtlich (versuchter) schwerer

Körperverletzung.

 

II. Keine Rechtfertigung

 

Eine Rechtfertigung der mutmaßlichen Taten ist nicht zu erkennen. Zwar ist in der Rechtsprechung des BVerfG zur Zwangsbehandlung grundsätzlich ein Rechtfertigungsgrund zu sehen. Jedoch gilt dies nur in den engen Grenzen, die das BVerfG aufgestellt hat. Wer diese Grenzen, wie die hiesigen Beschuldigten, verläßt, ist nicht mehr gerechtfertigt für sein Tun.

 

Im übrigen kann auch eine offensichtlich menschen- und völkerrechtswidrige und für jeden vernünftigen Menschen erkennbar den Folterbegriff erfüllende Rechtsprechung eines Verfassungsgerichts nicht als Rechtfertigungsgrund für die Organisationstäter herhalten. Auch die Abgeordneten des Reichstags konnten sich insofern nicht auf die Rechtsprechung des Volksgerichtshofs oder des Obersten Parteigerichts der NSDAP verlassen. Es ist, wie gesagt, jedem Kind einleuchtend, daß es ein Verbrechen darstellt, einen unschuldigen und wehrlosen Menschen zu mehreren mit Gewalt und Drohung festzubinden und ihm Substanzen zu verabreichen, die ihn verändern, abhängig machen und seinen Willen und seine Persönlichkeit verändern oder sogar zerstören. Ein solches Verhalten hat im humanistisch aufgeklärten Europa des 21. Jahrhundert absolut nichts zu suchen!

 

III. Schuld

 

Die Beschuldigten handelten, nach allem was über sie bekannt ist, auch schuldhaft.

 

Ein Erlaubnisirrtum scheidet mit der obigen Argumentation unter II. aus.

 

Man kann zudem von Abgeordneten, darunter vielen Volljuristen, erwarten, daß sie sich, unabhängig von einer etwaigen Gerichtsmeinung, ein eigenes Urteil bilden und ihr eigenes Judiz einschalten. Insofern wäre auch zu berücksichtigen, daß Zwangsbehandlungen in praxi überhaupt nicht erforderlich sind. Denn einige Amtsrichter ordnen diese generell nicht mehr an. Das AG Stolzenau ordnet insgesamt keine Zwangsbehandlungen mehr an. Auch existieren einige psychiatrische Kliniken in Deutschland, etwa jene in Heidenheim/Brenz, die seit der Grundsatzentscheidung vom März 2011 auf Zwangsbehandlung generell verzichten. Wenn das geht, dann ist die Zwangsbehandlung auch in anderen Einrichtungen oder Gerichtsbezirken nicht erforderlich und insofern unverhältnismäßig. Diese Tatsachen hätten die Abgeordneten nicht übergehen dürfen, bevor sie ein derart weitreichendes Gesetz beschließen.

 

Nach alledem bitte ich gegen die Beschuldigten, ggf. nach Aufhebung von deren parlamentarischer Immunität, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten und / oder vollendeten gefährlichen Körperverletzung, der versuchten und / oder vollendeten schweren Körperverletzung und aller sonst in Betracht kommender Straftaten einzuleiten.

 

Ich bitte mich über den Ausgang des Verfahrens zu informieren.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Dr. Schneider-Addae-Mensah

Rechtsanwalt

 

Anlage: Vollmacht