Bundesarbeitsgemeinschaft
Psychiatrie-
Erfahrener e.V.
Nächste Mitgliederversammlung:
Dienstag, den 17.12.2024 um 17h
Wahlprüfstein zur Bundestagswahl 2017
Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener
Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener
Frage an die Parteien:
Im Unterschied zur Bundestagswahl
2013 haben wir dieses mal nur Parteien einen Wahlprüfstein vorgelegt. Deshalb
gelten unsere folgenden Empfehlungen nur für die Zweitstimme, nicht für die
Erststimme.
Wir haben jeweils CDU, CSU,
SPD, FDP und GRÜNE mit einem Hinweis auf das Wahlprogramm der Partei
DIE LINKE gefragt:
Im Wahlprogramm
der Partei DIE LINKE steht auf Seite 32:
Wir wollen eine gewaltfreie Psychiatrie und die Abschaffung
von Sondergesetzen.
Und auf Seite 118:
Wir setzen uns dafür ein, dass alle rechtlichen
Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen aufgehoben werden,
insbesondere psychiatrische Sondergesetze und ärztliche oder
betreuungsrechtliche Zwangsbefugnisse.
Ist Ihre Partei ebenfalls bereit, in der nächsten Legislatur dieses
Vorhaben durchzusetzen, sei es zusammen mit der Partei DIE LINKE oder
anderen? Nur so kann das Betreuungs- und Unterbringungsrecht konform
mit der Behindertenrechtskonvention (BRK) werden.
Als erklärende Begründung
für die Forderung einer gewaltfreien Psychiatrie wurde hinzugefügt:
A) Der UN-Sonderberichterstatter
on the right of everyone to the enjoyment of the highest attainable
standard of physical and mental health, Dainius Pūras, hat in
seinem Bericht
an die UN-Vollversammlung vom 28. März 2017 (E für Englisch anklicken) erklärt (fett
von uns):65. Coercion in psychiatry perpetuates power
imbalances in care relationships, causes mistrust, exacerbates stigma
and discrimination and has made many turn away, fearful of seeking help
within mainstream mental health services. Considering that the right to
health is now understood within the framework of the Convention on the
Rights of Persons with Disabilities, immediate action is required to
radically reduce medical coercion and facilitate the move towards an
end to all forced psychiatric treatment and confinement. In
that connection, States must not permit substitute decision-makers to
provide consent on behalf of persons with disabilities on decisions
that concern their physical or mental integrity; instead, support
should be provided at all times for them to make decisions, including
in emergency and crisis situations.43
43Guidelines on
article 14 of the Convention,para.22.Übersetzung (von uns):
65. Zwang in der Psychiatrie verewigt Ungleichgewichte der Macht in
Fürsorge-Beziehungen, verursacht Misstrauen, verschärft Stigma und
Diskriminierung und hat viele sich ängstlich von der Suche nach Hilfe
innerhalb der psychiatrischen Versorgungsangebote abwenden lassen.
Berücksichtigt man, dass das Recht auf Gesundheit jetzt im Rahmen der
Behindertenrechtskonvention zu verstehen ist, sind sofortige Maßnahmen
erforderlich, um ärztliche Zwangsmaßnahmen radikal zu reduzieren und
den Übergang zu einem Ende aller psychiatrischen
Zwangsbehandlungen und Zwangseinweisungen zu beschleunigen.
In diesem Zusammenhang dürfen die Staaten keine ersetzende
Entscheidungsfindung mehr zulassen, um die Zustimmung für
Entscheidungen von Personen mit Behinderungen zu erlangen, die ihre
körperliche oder geistige Unversehrtheit betreffen; Stattdessen sollte
die Entscheidungsfindung immer nur noch unterstützt
werden, auch in Notfällen und Krisensituationen.B) Bitte lesen Sie in der Stellungnahme von Prof.
Eckhard Rohrmann Bevormundung
– Zwangsunterbringung – Folter zu den
abschließenden Bemerkungen des UN-Komitees für die Rechte von
Menschen mit Behinderungen zum ersten Staatenbericht der
Bundesrepublik zum Art. 12 der UN-Behindertenrechtskonvention, warum
der § 1896 BGB zur Betreuung so novelliert werden muss, dass keine
Betreuung mehr gegen den erklärten [natürlichen] Willen eingerichtet
oder fortgesetzt werden kann.
C) Bitte beachten Sie außerdem dass der UN-Sonderberichterstatter
on torture and other cruel, inhuman or degrading
treatment or punishment, Juan E. Méndez,
in der 22. Sitzung des „Human Rights Council“ am 4. März 2013
Zwangsbehandlung in der Psychiatrie zu Folter, bzw. grausamer,
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung erklärt hat, siehe:
http://www.folter-abschaffen.de
D) Am 22.6.2017 hat der Abgeordnete von der Partei
DIE LINKE, Harald Petzold, in der Debatte
um die Änderung der
materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen
Zwangsmaßnahme den vom Rechtsausschuss berufenen
Sachverständigen Dr. med. Martin Zinkler, Chefarzt der Psychiatrischen
Klinik Heidenheim, zitiert. Bitte lesen Sie hier,
was dieser über die Nicht-Notwendigkeit von Zwangsmaßnahmen im Rechtsausschuss
des Bundestages zu Protokoll gegeben hat.
Befragten die Möglichkeit, sich entweder menschenrechtlich konform zu
entscheiden und die BRK zu erfüllen, die die befragten Parteien sogar
zum Gesetz erhoben hatten, oder Art. 1 GG zu missachten, in dem in
Absatz 2 steht:
Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und
unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen
Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
Also ist unabdingbar und überfällig, dass der Gesetzgeber alle
psychiatrischen Sondergesetze, die Zwang legalisieren, vollständig
abschafft. Dass das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 GG mit einer
entsprechenden Patientenverfügung gegen psychiatrische Zwangsmaßnahmen aktiv
geltend gemacht werden muss, ist endlich zu beseitigen; der
jetzige Zustand ist so absurd, wie wenn Folterfreiheit erst jeweils
individuell von jedem/r verbrieft werden müsste, statt dass sie
selbstverständlich ist.
Unsere Wahlempfehlungen:
- Die CDU hat gemeinsam mit der CSU geantwortet (siehe hier)
und hält die Menschenrechte für teilbar. Sie will von Zwangsbehandlung,
Zwangseinweisung und zwangsweiser Entmündigung (zur Täuschung
„Betreuung“ genannt) nicht lassen. Völkerrechtlich bindende
menschenrechtliche Zusagen sollen per Bundesgesetz ausgehöhlt werden
können bzw. unerfüllt bleiben. Wir raten von der Wahl von
CDU/CSU dringend ab. - Die SPD hat geantwortet (siehe hier) und hält die
Menschenrechte für teilbar. Sie will von Zwangsbehandlung,
Zwangseinweisung und zwangsweiser Entmündigung (zur Täuschung
„Betreuung“ genannt) nicht lassen. Völkerrechtlich bindende
menschenrechtliche Zusagen sollen per Bundesgesetz ausgehöhlt werden
können bzw. unerfüllt bleiben. Wir raten von der Wahl der SPD
dringend ab. - Die FDP hat geantwortet (siehe hier) und hält die
Menschenrechte für teilbar. Sie will von Zwangsbehandlung,
Zwangseinweisung und zwangsweiser Entmündigung (zur Täuschung
„Betreuung“ genannt) nicht lassen. Völkerrechtlich bindende
menschenrechtliche Zusagen sollen per Bundesgesetz ausgehöhlt
werden können bzw. unerfüllt bleiben. Wir raten von der
Wahl der FDP dringend ab. - Die GRÜNEN haben geantwortet (siehe hier) und halten die
Menschenrechte für teilbar. Sie wollen von Zwangsbehandlung,
Zwangseinweisung und zwangsweiser Entmündigung (zur Täuschung
„Betreuung“ genannt) nicht lassen. Völkerrechtlich bindende
menschenrechtliche Zusagen sollen per Bundesgesetz ausgehöhlt werden
können bzw. unerfüllt bleiben und auf den St. Nimmerleinstag in ferner
Zukunft verschoben werden. Entsprechend hat sich die Fraktion der
GRÜNEN im Bundestag sowohl 2013 also auch 2017 im
Gesetzgebungsverfahren zur Legalisierung von Zwangsbehandlung
enthalten, statt dagegen zu stimmen. Wir raten von der Wahl
der GRÜNEN ab.
Fazit:
Die Befragung der
Parteien ergab, dass von den Parteien im nächsten Bundestag nur die
Partei DIE LINKE sich für eine bedingungslos gewalt- und folterfreie
Psychiatrie einsetzt und, als logische Konsequenz daraus, die
Abschaffung aller psychiatrischen Sondergesetze fordert.
Wir können also für diese Bundestagswahl nur die Partei DIE
LINKE empfehlen!
Sollte man ihr misstrauen, weil sie auf Landesebene sowohl in
Brandenburg wie in Thüringen ihre Wahlversprechen für die Bundesebene
gebrochen hat, bleibt nur entweder:
- gar nicht wählen gehen oder
- eine der Parteien wählen, die wegen der 5% Hürde zwar nicht
in den nächsten Bundestag kommen werden, die aber unsere Forderungen
(zumindest teilweise) schon auf Landesebene aufgegriffen haben, also
– Die Grauen
– Die Piraten
– Die Partei
offenkundig mit Rechtsradikalen verwoben ist, können wir nur ganz
besonders von deren Wahl abraten – wo diese in Deutschland an
die Macht gekommen waren, hatten sie den Ärzten freie Bahn für den
systematischen Massenmord in den Psychiatrien verschafft.
Bundesverband
Psychiatrie-Erfahrener
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