Berlin/Bochum
19.5.2013
Jetzt
die gewaltfreie Psychiatrie wagen!
Sehr
geehrte/r
Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 23.3.2011 die
psychiatrische Zwangsbehandlung im Rheinland-Pfälzischen
Maßregelvollzugsgesetz (2 BvR 882/09) für
nichtig erklärt. Durch die Urteilsbegründung
wird klar, dass alle Gesetze, die Zwangsbehandlung in
der Psychiatrie legalisieren sollten, nie verfassungskonform
waren. Prof. Wolf-Dieter Narr, RA Thomas Saschenbrecker
und RA Dr. Eckart Wähner hatten daraufhin in dem
Gutachten BEHINDERUNG, MENSCHENRECHTE UND ZWANG
auf die Unmöglichkeit, überhaupt noch ein
legalisierendes Gesetz zu schaffen, hingewiesen. Dieses
Gutachten wurde im Oktober 2011 allen Abgeordneten aller
Landtage zusammen mit dem Beschluss des BVerfG zugestellt.
Langversion: www.grundrechtekomitee.de/sites/default/files/Gutachten..pdf
Kurzversion: www.grundrechtekomitee.de/node/465
Die
obige Entscheidung haben das BVerfG 2011 und 2013 in
zwei weiteren Beschlüssen (2 BvR 633/11 und 2 BvR
228/12) und der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen
in 2012 (XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12) weiter gefestigt.
Der Versuch des Bundestages, mit einer Novelle des §
1906 BGB betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung dem Anschein
nach zu legalisieren, gelang zwar im Eilverfahren gegen
unseren heftigen Widerstand. Dieses Gesetz ist mit dem
Grundgesetz unvereinbar und hat nur für Rechtsunsicherheit
gesorgt. Es ist ein Hohn auf die Menschenrechte. Eine
Strafanzeige gegen die Bundesjustizministerin und den
Baden-Württembergischen Justizminister war die
logische Folge:
www.die-bpe.de/strafanzeige_schnarrenberger.html
Bitte
lesen Sie die anliegende Stellungnahme der Monitoringstelle
für die Behindertenrechtskonvention beim Deutschen
Institut für Menschenrechte. Darin wird ausführlich
begründet, warum psychiatrische Zwangsbehandlung
mit der Behindertenrechtskonvention unvereinbar ist
und diese Gesetzesnovelle nicht hätte verabschiedet
werden dürfen.
Inzwischen liegen in Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen
und Baden-Württemberg landesrechtliche Gesetzentwürfe
vor, von denen keiner die grundgesetzlichen Anforderungen
erfüllt, die das BVerfG in seinen drei Beschlüssen
für unabdingbar erklärt hat. Wir legen eine
aktuelle Stellungnahme von Prof. Narr und RA Thomas
Saschenbrecker zu diesen vier Gesetzentwürfen bei.
Besonders
zu denken geben sollte, dass der Sonderberichterstatter
über Folter des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte,
Juan E. Méndez, am 4.3.2013 im "Human Rights
Council" der UN Zwangsbehandlung in der Psychiatrie
zu grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
und Folter erklärt hat.
Er fordert, dass:
"alle
Staaten ein absolutes Verbot aller medizinischen nicht
einvernehmlichen bzw. Zwangsbehandlungen von Personen
mit Behinderungen verhängen sollten, einschließlich
nicht-einvernehmlicher Psychochirurgie, Elektroschocks
und Verabreichung bewusstseinsverändernder Drogen,
sowohl in lang- wie kurzfristiger Anwendung. Die Verpflichtung,
erzwungene psychiatrische Behandlung wegen einer Behinderung
zu beenden, ist sofort zu verwirklichen und auch knappe
finanzielle Ressourcen können keinen Aufschub
der Umsetzung rechtfertigen."
Aus
diesem Anlass hat sich am 2.4.2013 ein Bündnis
gegen Folter in der Psychiatrie gegründet,
zu dessen Erstunterzeichnern der Vorgänger Juan
E. Méndez', Prof. Manfred Nowak, gehört.
Anbei die Gründungserklärung des Bündnisses
mit den bisherigen Bündnispartnern und Erstunterzeichnern.
Darin wird auch auf die Worte von Juan E. Méndez
hingewiesen:
"Das
Verbot der Folter ist eines der wenigen absoluten
und unveräußerlichen Menschenrechte, ein
ius cogens, also eine zwingende Norm des internationalen
Rechts."
Ein
endgültiges Ende der Zwangsbehandlung wird nicht
nur von uns Betroffenen gefordert. Auch für die
in der Psychiatrie Tätigen besteht die Chance,
endlich eine gewalttätige Praxis zu beenden, wie
der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie
und Psychosomatik des Klinikums Heidenheim und Chefredakteur
der Fachzeitschrift Recht & Psychiatrie, Dr. Martin
Zinkler, in einem offenen Brief an die Bundesjustizministerin
am 12.11.2012 schreibt:
"
In Heidenheim, einer Klinik, die für immerhin
135.000 Einwohner im Landkreis die Versorgungsverpflichtung
übernimmt, also für freiwillige und zwangsweise
in die Klinik gebrachte Patienten, mit 1200 Aufnahmen
im Jahr hat sich durch die fehlende gesetzliche Grundlage
zur Zwangsbehandlung keine nachteilige Situation ergeben
- im Gegenteil: wir sagen unseren zwangsweise eingewiesenen
Patienten, dass sie nicht gegen ihren Willen medikamentös
behandelt werden, und das nimmt der Unterbringung
schon einen Teil der Bedrohung
" und
"Ich möchte Ihnen deshalb nahe legen, zu
prüfen, ob nicht auf eine gesetzliche Grundlage
zur medikamentösen Zwangsbehandlung grundsätzlich
verzichtet werden kann. Um in unkontrollierbaren Situationen
als letzten Ausweg ein Beruhigungsmittel zu verabreichen
gibt es immer noch den rechtfertigenden Notstand".
(Siehe http://tinyurl.com/bv25zee)
Wir
appellieren gemeinsam an Sie:
Unterbinden Sie bitte jeden Versuch, durch eine Gesetzesnovelle
im Maßregelvollzug oder in der Allgemeinpsychiatrie
Zwangsbehandlung zu legalisieren!
Bestärken Sie bitte die unteilbaren Menschenrechte,
indem Sie der grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden
Zwangsbehandlung jede Unterstützung versagen!
Das Recht auf körperliche Unversehrtheit gilt auch
für Psychiatrie-Patienten!
In
Menschenrechtsfragen geht jeder Verweis auf medizinische
oder andere Expertokratie fehl.
Wir bitten Sie deshalb als Abgeordnete um Ihre persönliche
Antwort auf diese brennende Frage an diese beiden E-Mail
Adressen:
Selbstverständlich
stehen wir gerne bei Fragen zu Verfügung und verbleiben
mit freundlichen Grüßen
Für den Vorstand des
Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener::-----------
Mirko Olotiak -------------Doris
Steenken
Der
Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener:
---René Talbot ---Uwe
Pankow ---Andrzej Skulski
Anlage:
Stellungnahme
der Monitoringstelle, Bündnis
gegen Folter in der Psychiatrie, Gutachten
Prof. Narr und RA Saschenbrecker
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