Bundesarbeitsgemeinschaft
Psychiatrie-
Erfahrener e.V.
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Dienstag, den 17.12.2024 um 17h
Wie einer Frau mit Hilfe der Gerichte gegen ihren Willen eine Brust amputiert werden soll.
Die-BPE hat sich am 22.7.2015 an die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gewandt, um auf die Ungeheuerlichkeit des Ansinnens des BGH hinzuweisen. Am selben Tag wurden verschiedene Verbände vom BVerfG zur Stellungnahme aufgefordert. Typischerweise werden solche Stellungnahmen bis zur Veröffentlichung des Beschlusses bzw. Urteils des BVerfG nicht veröffentlicht, um auch nur den Anschein zu vermeiden, das BVerfG solle so unter öffentlichen bzw. politischen Druck gesetzt werden. Dieses Tabu hat die nun offenbar in Panik geratene „Aktion psychisch Kranke“ gebrochen und ihre Stellungnahme vom 17.9.2015 auf ihrer Homepage www.apk-ev.de veröffentlicht. Unter diesen Umständen möchte die-BPE dem ihre Sicht der Dinge entgegenstellen, damit wenigstens kein so einseitiges Bild der Befürwortung von ambulanter Zwangsbehandlung entstehen kann, siehe den Brief unten.
An die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts
Gleichbehandlung – Ja!
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir schreiben Ihnen, weil der BGH mit dem Beschluss XII ZB 89/15 vom 1.7.2015 das Bundesverfassungsgericht angerufen hat.
Die Richterin und die Richter am BGH meinen, eine mit dem Grundgesetz Art. 3 unvereinbare Ungleichbehandlung festgestellt zu haben: Während auf einer geschlossenen Station Zwangseingewiesene auf Antrag einer Zwangs“betreuerin“ mit richterlicher Genehmigung seit Februar 2013 auf Grundlage eines illegalen Gesetzes zwangsbehandelt werden können, ist seit dem Beschluss des BGH XII ZB 69/00 vom 11. Oktober 2000 die nicht-stationäre, also ambulante, Zwangsbehandlung endgültig als illegal erkannt worden. Nun meint der BGH aber, dass dann, wenn durch eine Brustamputation, Brustbestrahlung und Knochenmarkspunktion zur weiteren Diagnostik ein Krebs gegen den Willen einer 63 jährigen Betreuten behandelt werden könne, müssten diese „Wohltaten“ als grundrechtliche Schutzpflicht nicht nur Eingesperrten, sondern auch nicht eingesperrten Patienten angetan werden, wenn die Ärzte und eine Berufsbetreuerin das gut finden und die Person, die das ablehnt und auch kundtut, als geisteskrank und nicht einwilligungsfähig erklärt wurde. Das BVerfG soll feststellen, dass der neue Zwangsbehandlungsparagraph § 1906 BGB in Abs. 3 gegen Artikel 3 des GG verstößt.
Dass dieses Verfahren überhaupt bis zum BGH kommen konnte, ist völlig unverständlich. Es wurde nicht etwa die Berufsbetreuerin wegen des Versuchs der Körperverletzung zur Rechenschaft gezogen, weil sie mit ihrem Antrag den aktuellen und mutmaßlichen Willen der Betroffen missachtet hat. Statt dieser erbarmungslosen Berufs“betreuerin“ in den Arm zu fallen, unterstützt der BGH eine Rechtsbeugung des Patientenverfügungsgesetzes. Dass die „Betreuerin“ das auch noch im Namen der Betroffenen tun konnte, wie in dem Beschluss zu lesen ist, ist an Zynismus kaum zu überbieten.
Dass der BGH dabei bereit ist, die Artikel 1 und 2 des GG zu missachten, um mangelnde „Gleichbehandlung“ zu monieren, ist dann aber der tatsächliche Skandal: denn die Ungleichbehandlung ist DIE zwischen einem angeblich oder tatsächlich psychisch Kranken und einem nicht so diagnostizierten Menschen. Dass es überhaupt eine Behandlung gegen den erklärten aktuellen Willen geben können soll, DAS ist die Grundrechtsverletzung und macht den § 1906 Abs. 3 BGB zu einem mit den Grund- und sowieso Menschenrechten unvereinbaren Gesetz. Selbstverständlich müssen ALLE erwachsenen Patienten eine Krebstherapie ablehnen dürfen. Die Erklärung ist offensichtlich und logisch: IMMER muss ein/e PatientIn mit „im Boot“ der Behandlung sein, denn es
– geht um sie bzw. ihn,
– gehen gelegentlich solche Behandlungen auch mal gründlich schief: Operation erfolgreich, Patient tot. Eine erzwungene Behandlung wäre in einem solchen Fall sogar ein staatlich verordneter Totschlag.
Die vom BGH offenkundig angestrebte Regelung würde jedoch Ärzte wie zu Metzgern machen: Götter in Weiß als Herrscher über hirnkrank erklärtes Fleisch.
Der BGH wendet hier also eine staatliche Schutzpflicht in einen Vorwand, den Willen der Betroffenen zu brechen, sie zu entwürdigen und ihre körperliche Unversehrtheit zu verletzen. Dabei sollte auch dem BGH seit der Diskussion um die Patientenverfügung endlich bekannt geworden sein, dass das Wohl durch den Willen der Betroffenen subjektiv bestimmt wird, wie es MdB Fritz Rudolf Körper am 29. März 2007 im Deutschen Bundestag zum Thema „Patientenverfügung“ zu Protokoll gegeben hat (Quelle: Auszug aus dem Plenar-Protokoll des Deutschen Bundestages, siehe Seite 9282: http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/16/16091.pdf):
„Die Befürworter einer Einschränkung der Verfügungsmacht des Patienten argumentieren mit einem angeblichen Spannungsverhältnis zwischen der freien Entscheidung des Bürgers und seinem – angeblich – objektiv bestimmbaren Wohl. Oder sie berufen sich auf eine Pflicht des Staates zum Lebensschutz. Ich möchte hier nicht diskutieren, ob der Staat im Wege des Gesetzes gegen den freien Willen des Betroffenen körperliche Eingriffe mit dem Ziel des Lebensschutzes ermöglichen darf. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer derartigen Vorgabe besteht mit Sicherheit nicht. Also müssen wir das Ergebnis dieser Meinung politisch bewerten: Diejenigen, die sich selbst zum Schützer fremden Lebens ernannt haben, kommen im Ergebnis dazu, die Freiheit der Bürger aus Fürsorgegründen in einem zentralen Kernbereich der Selbstbestimmung einzuschränken. Sie begründen dies mit dem angeblich „objektiv“ bestimmbaren Wohl der Betroffenen. Ich weiß nicht, woher sie den Maßstab dieses „objektiven“ Wohls hernehmen wollen. Das menschliche „Wohl“ ist aus meiner Sicht im Gegenteil eine sehr subjektive Angelegenheit. Die angebliche „Objektivität“ des Wohls wird dadurch erzeugt, dass der Maßstab des Betroffenen durch den eigenen Maßstab ersetzt wird. Ich halte dies für nicht verantwortbar. Wir Abgeordneten des Deutschen Bundestages sollten uns im Gegenteil damit bescheiden, den Bürgerinnen und Bürgern den Rahmen für eine – mögliche – Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Wir können und sollten nicht anstelle der Bürger entscheiden wollen…“
Im Ergebnis will der BGH Entmündigte mit Zwang amputieren lassen können!
Gegen ihren Willen soll einer erwachsenen Frau mit Hilfe der Gerichte eine Brust amputiert werden können. Wir halten das für eine Ungeheuerlichkeit. Alle juristischen Spitzfindigkeiten, mit denen die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dose, Klinkhammer, Schilling und Guhling in zweiten Teil ihren Beschluss begründen, sind wohlfeil, solange diese 5 Personen nicht öffentlich vorzeigen können, das sie nicht nur diese sog. „Schutzlücke“ gesehen haben, sondern sie zum Zeitpunkt des Beschlusses mit einer Patientenverfügung vorsorglich und rechtssicher geschlossen hatten. Damit hätte im Fall ihrer eigenen „Einwilligungsunfähigkeit“ ein angeblich „begünstigender“ Eingriff/Amputation auch dann, wenn sie vorher nicht eingesperrt wurden, gegen ihren „unfreien“ Willen erzwungen werden können. Deren Sorge, Andere könnten der gewähnten „Schutzlücke“ unbegünstigt zum Opfer fallen, hätte man Glauben schenken können.
Zitate aus dem Beschluss:
„Diese durch die Ungleichbehandlung verursachte Schutzlücke wird nicht durch andere vom Gesetz eröffnete Möglichkeiten aufgefangen.“ Und:
„Bei § 1906 Abs.3 BGB handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine den Betroffenen jedenfalls auch begünstigende Vorschrift.“
Da die 5 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine solche Patientenverfügung hatten, demonstrierten sie mit ihrem Beschluss nur, dass sie angebliche „Begünstigung“ nur heucheln, da diese Gewalttätigkeiten also nur an Anderen vorgenommen werden sollen, sie für sich selbst solche „Begünstigungen“ aber gar nicht wollten, obwohl sie die sog. „Schutzlücke“ so für sich selbst schon hätten schließen können. Das ist ein St. Florian-als-Brandstifter Prinzip: „Verschon mein Haus, ich zünde andere an.“
In dem Beschluss behauptet der BGH:
Dementsprechend stellen sich zivilrechtliche Unterbringungen und ärztliche Zwangsmaßnahmen nicht nur als Grundrechtseingriffe, sondern vor allem auch als den Betroffenen begünstigende Maßnahmen der staatlichen Fürsorge dar. Ihr Zweck besteht neben ihrer die Eingriffsvoraussetzungen festlegenden und damit Grundrechtseingriffe beschränkenden Funktion insbesondere darin, den Anspruch des Betroffenen auf Schutz und Behandlung umzusetzen, wenn er krankheitsbedingt keinen freien Willen bilden kann und sich dadurch erheblich schädigen würde (vgl. Lipp FamRZ 2013, 913, 919).
Dass dies nur mittels schwerwiegender Eingriffe in die Grundrechte des Betroffenen möglich ist, ändert an diesem begünstigenden Charakter nichts.
Wir möchten Ihnen mitteilen, dass wir als ehemals Betroffene bzw. Gefährdete diese „Begünstigung“ als eine Verletzung unserer Würde verstehen, uns entschieden dagegen wehren, unseres wiederholt vorgetragenen Willens beraubt zu werden, dass wir diese Misshandlungen alle als schädigend ablehnen. Wir weisen nochmals darauf hin, dass alle, die solche Maßnahmen als „begünstigend“ bzw. ihrem Wohl dienlich befinden, dies in einer entsprechende Gewaltmaßnahmen legitimierenden Patientenverfügung im Voraus festlegen können. Dafür gibt es mit dem § 1901a BGB den gesetzlichen Rahmen – es gibt keine „Schutzlücke“. Nur so ist Rechtsicherheit und tatsächliche Gleichbehandlung zu schaffen, wie sie auch von dem Genfer UN-Fachausschuss zur Behindertenrechtskonvention am 17.4. in dessen „Concluding Observations“ über Deutschland gefordert wurden. Wir legen die entsprechenden Passagen im englischen Original und der deutschen Übersetzung bei.
Wir hoffen auf eine Entscheidung, die diskriminierungsfreie Gleichbehandlung schafft.
Mit freundlichen Grüßen
Der Vorstand von die-BPE
Greifswalder Straße 4
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Fax: 030-782 8947
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Mittwoch, 22. Juli 2015