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Schirmherr: Gert Postel

Geschäftsstelle:
Haus der Demokratie und
Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin

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Bundesarbeitsgemeinschaft
Psychiatrie-Erfahrener e.V.

Haus
der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin

Fax: 030-7828947

die-bpe@gmx.de

www.die-bpe.deFebruar 2012

Jetzt
die gewaltfreie Psychiatrie schaffen und dem Terror nach innen
ein Ende bereiten,…


… weil
die deutsche Psychiatrie 9 Jahre lang den systematischen Massenmord
begangen hat und sich danach 62 Jahre in der BRD das schwere
Verbrechen der gefährlichen Körperverletzung zu
Schulden hat kommen lassen, ohne dass es dafür je eine
Rechtsgrundlage gegeben hätte, die verfassungskonform
gewesen wäre. Das hat das Bundesverfassungsgericht nun
endlich auch festgestellt. Die Körperverletzungen waren
so abscheuliche Foltermethoden, wie gewaltsame Hirnzerstückelung
(Lobotomie), gewaltsames Elektroschocken, gewaltsames Spritzen
von bewusstseinsverändernden Drogen und Insulinschocks,
gewaltsame Sterilisationen usw. Regelmäßig wird
bis heute eine dramatische Lebensverkürzung als „Nebenwirkung“
akzeptiert. Vielleicht ist das sogar die nur zaghaft verdeckte
Hauptwirkung?
Die baden-württembergische Sozialministerin Altpeter
sagte bei einer Gedenkveranstaltung
in Grafeneck
am 27.1.2012, dass „die Gesellschaft
es den Opfern schuldig sei, danach zu fragen, wie es möglich
war, dass wehrlose Menschen zu tausenden brutal ermordet wurden.“
Nun kann die Ministerin durch ihr Handeln beweisen, ob sie
es ernst meint mit ihrer Frage nach den Gründen für
den Massenmord, oder ob ihre Frage nur eine zynisch dahingesagte
Heuchelei ist, um mit dieser Form des „Erinnerns“
das Vergessen zu gewährleisten. Denn ihr ist bekannt,
wie sich die Gewalttätigkeit der Psychiatrie nach 1949
fortsetzte und wie die selben Gewalttätigkeiten, als
sie vor 1939 ausgeübt wurden, die notwendige Voraussetzung
dafür bildeten, dass diese Gewalttätigkeit sich
bei unbegrenzter Ärztemacht durch die Unterstützung
der Nazis zum systematischen Massenmord steigern konnte.

Ministerin
Altpeter hat jetzt, nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
die Chance, entweder die Psychiatrie auf Gewaltfreiheit umzusteuern.
Oder sie kann versuchen, durch ein paar Bedingungen mehr in
einem neuen Gesetz, der gewaltsam zu erduldenden Körperverletzung
als psychiatrische Gewalt noch einmal den Anstrich von Rechtmäßigkeit
zu geben. Der bisher vom Sozialministerium vorgelegt Entwurf
eines neuen § 8 UBG deutet darauf hin, dass der Gewalttätigkeit
und dem psychiatrischen Terror nach innen auf Teufel komm
raus der Weg gebahnt werden soll. Wird Ministerin Altpeter
von diesem Weg der zynischen Verhöhnung der heutigen
sozialen Brüder und Schwestern der Ermordeten endlich
abweichen?

…
weil

die grün-rote Koalition in ihrem Koalitionsvertrag
am 9. Mai 2011
(also 3,5 Wochen nach der Veröffentlichung
des BVerfG
Beschlusses am 15.4.2011
) auf Seite 49 erklärt hat:
„Durch das Gesetz für psychisch Kranke wird die
Rechtsstellung psychisch kranker Personen gestärkt…“
Wenn dann aber tatsächlich das Gegenteil davon gemacht
wird, nämlich eine gewaltsam zu erduldende Körperverletzung,
die bisher noch nie rechtmäßig war, legalisiert
werden soll, dann ist das eine arglistige Täuschung,
und insbesondere dann ein politisches Verbrechen, wenn der
Koalitionsvertrages so betitelt wird: „Der Wechsel beginnt.“
Ein beginnender Wechsel wären weitere Schritt zu einer
völlig gewaltfreie Psychiatrie, in der auch das zwangsweise
Einsperren endgültig der Vergangenheit angehört.
So aber würde sich stattdessen diese Koalition zum Rammbock
finsterer Reaktion machen, wie man sie am ehesten rechtslastigen
Ordnungsfanatikern zugetraut hätte.

…
weil

die grün-rote Koalition
in ihrem Koalitionsvertrag auf Seite 50 erklärt hat:
„Die von der UN-Behindertenrechts-konvention geforderte
Inklusion, also die volle Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
in allen Lebensbereichen, ist ein vorrangiges Ziel der neuen
Landesregierung.“ Jetzt aber stellt sich als vorrangiges
Ziel dieser Koalition heraus, dass sie die fundamentalste
Inklusion, der grundrechtlichen Gleichstellung, jetzt wo diese
durch die Entscheidungen des BVerfG im Bereich der Freiheit
von Körperverletzung hergestellt ist, aufheben will.
Denn sie hat mit dem Entwurf eines neuen § 8 UBG als
einem Sonderentrechtungsgesetz für angeblich oder tatsächlich
„psychisch Kranke“ wieder genau das Gegenteil des
angekündigten „Der Wechsel beginnt“ getan:
diese Koalition droht sich zum Vorreiter finsterer Reaktion
zu machen.
Und sie stellt sich dabei sogar offensiv gegen das UN-Hochkommissariat
für Menschenrechte, das im Januar 2009 in einem Bericht
an die Generalversammlung der Vereinten Nationen „zur
Verbesserung der Sensibilisierung und dem Verständnis
der Behindertenrechtskonvention
*
definitiv klar gestellt hat:
Alle Gesetze „müssen abgeschafft werden“, in
denen „psychische Krankheit“ Vorwand für ein
Sondergesetz bei Gefahr für sich selbst oder andere ist
– also eine definitive Bestätigung unserer Forderung
nach sofortiger Abschaffung aller PsychKGe von der menschenrechtlich
höchsten Stelle.
Hier die wichtigsten Abschnitte des Berichts
als Zitat:

5.
Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person

48. Eine besondere Herausforderung im Rahmen der Förderung
und des Schutzes des Rechts auf Freiheit und Sicherheit der
Menschen mit Behinderungen ist die Gesetzgebung und die Praxis
im Bezug auf die Gesundheitsversorgung und insbesondere zur
Unterbringung ohne die informierte Zustimmung der betroffenen
Person (oft auch als unfreiwillige oder erzwungene Unterbringung
bezeichnet). Bevor die Konvention in Kraft getreten ist, war
die Existenz einer geistigen oder psychischen Behinderung
im Rahmen internationaler Menschenrechte ein rechtmäßiger
Grund für die Entziehung der Freiheit und Einsperrung.42
Das Übereinkommen wendet sich radikal von diesem Ansatz
dadurch ab, dass jeder Freiheitsentzug auf der Grundlage der
Existenz einer Behinderung, einschließlich einer psychischen
oder geistigen Behinderung, als diskriminierend verboten ist.
In Artikel 14 Absatz 1 (b) des Übereinkommens heißt
es unmissverständlich, dass „das Vorliegen einer
Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsberaubung rechtfertigt“.
Während der Ausarbeitung des Übereinkommens wurden
die Vorschläge verworfen, die das Verbot der Inhaftierung
auf die Fälle von „allein“ Behinderung begrenzen
wollten43.
Dies hat zur Folge, dass rechtswidrige Einsperrung auch die
Situationen umfasst, in denen der Entzug der Freiheit mit
einer Kombination von einer psychischen oder geistigen Behinderung
und anderen Elementen wie Gefährlichkeit oder der Betreuung
und Behandlung begründet wird. Da diese Maßnahmen
teilweise durch die Behinderung einer Person gerechtfertigt
werden, sind sie diskriminierend und verletzen das Verbot
eine Freiheitsentziehung aufgrund von Behinderung und das
Recht auf Freiheit auf gleicher Grundlage mit anderen nach
Artikel 14.
49.
Gesetzgebung, die zur Unterbringung von Menschen mit Behinderungen
aufgrund ihrer Behinderung ohne ihre freie und informierte
Zustimmung ermächtigt, muss abgeschafft werden. Das muss
sowohl die Abschaffung der Gesetzgebung umfassen, die die
Unterbringung von Personen mit Behinderung ohne deren freie
und informierte Zustimmung legalisiert, als auch die Abschaffung
von Gesetzen, die die Schutzhaft von Menschen mit Behinderung
in Fällen wie der Wahrscheinlichkeit, eine Gefahr für
sich selbst oder für andere zu sein und in allen Fällen,
in denen die Fürsorge, die Behandlung oder die öffentliche
Sicherheit mit einer vermuteten oder diagnostizierten psychischen
Krankheit verbunden wird, legalisieren….

———————-
42 Siehe als Verweis die „Grundsätze
für den Schutz von Personen mit psychischen Erkrankungen
und der Verbesserung der psychischen Gesundheit“, A/RES/46/119,
im Internet unter: http://www.un.org/documents/ga/res/46/a46r119.htm.
43 Im Laufe der dritten Sitzung des Ad-hoc-Ausschuss
über eine umfassende und integrative Internationale
Behindertenrechtskon-vention zum Schutz und der Förderung
der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen
wurden Vorschläge gemacht, das Wort „alleine“
in den Entwurf des damals als Artikel 10 Absatz 1 (b) bezeichenten
Artikels einzufügen, der dann gelautet hätte:
„Jede Freiheitsberaubung darf nur im Einklang mit dem
Gesetz erfolgen und sie darf in keinem Fall alleine auf
Behinderung beruhen.

…
weil

jeder solche Versuch einer neuerlichen rechtlichen Diskriminierung
gegen das Patientenverfügungsgesetz verstößt.
Im § 1901 a BGB wird für alle Einwilligungsunfähigen
ausdrücklich, unmissverständlich und umfassend für
alle Krankheiten in allen Stadien bundesgesetzlich geregelt,
dass der Wille des Betroffenen vor dessen vermeintlich objektiven
Wohl geht, oder anders ausgedrückt, dass das Wohl durch
den Willen des Betroffenen bestimmt wird. Sei es – vorzugsweise
– durch eine schriftliche Patientenverfügung oder falls
diese nicht vorhanden sein sollte, dass anhand von konkreten
Anhaltspunkten, also beweisbaren Tatsachen, festgestellt wird,
was der Betroffenen früher gewünscht hat und was
somit als sein mutmaßlicher Wille zu gelten hat. Es
besteht also eine definitive Beweispflicht dafür, dass
ein einwilligungsunfähiger Betroffener sich früher
Zwangsmaßnahmen gewünscht hat. Da es sich bei einer
psychiatrischen Zwangsbehandlung um ein besonders gefährliches
Verfahren handelt für das auch nach der Erkenntnis des
BVerfG
im Beschluss vom 12.10.2011
keinerlei Standards bestehen,
kann die aktuelle Ablehnung einer psychiatrischen Behandlung
beweiskräftig nur durch eine schriftliche positive psychiatrische
Vorausverfügung rechtlich abgesichert werden, in der
der Anwendung von Zwang und Gewalt durch den Betroffene –
analog einer Organspendeerklärung – explizit zugestimmt
wurde. Alles andere wäre Kaffeesatzleserei und Projektion
von denen, die – aus welchen Gründen auch immer – zwangsbehandeln
wollen. Der Bundestag hat explizit in Hinsicht auf keine Begrenzung
der Reichweite das Patientenverfügungsgesetz mit breiter
Mehrheit beschlossen. Der Gesetzentwurf des Sozialministeriums
zu § 8 UBG, der diese Vorgaben missachtet bzw. unterläuft,
nimmt logisch zwingend einen Verstoß gegen das reichweitenbegrenzungslose
Patientenverfügungsgesetz in Kauf, nur um eine Gruppe
von Menschen, die angeblich oder tatsächlich „Psychisch
Kranken“, zu diskriminieren.

Mit
diesen vier „weil“ ist gut begründet,
warum es keinen neuen § 8 UBG geben darf. Ebenso wenig
darf es ein neues PsychKG in Baden-Württemberg geben,
in dem noch einmal der zwangsweisen Unterbringung angeblich
oder tatsächlich „Psychisch Kranker“ ein rechtlicher
Anstrich gegeben werden soll.


*
www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/docs/10session/A.HRC.10.48.pdf

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