Bundesarbeitsgemeinschaft
Psychiatrie-
Erfahrener e.V.
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Dienstag, den 17.12.2024 um 17h
Mit der Biennale MEINE WELT soll noch einmal dem Nazi-Ideologen Prinzhorn und dessen Pathologisierung von Kunst gehuldigt werden. Verehrend schreibt der Leiter der Ausstellung, Armin Hauer, in seinem Vorwort zum Katalog der Ausstellung über Prinzhorn: „Das bedeutet, dass die klassische Moderne und auch wesentliche Stränge der Nachkriegskunst ohne die Kenntnisse des Buches von Prinzhorn (1886-1933) (Die Bildnerei der Geisteskranken, 1922,) und dessen Sammlung in Heidelberg nicht denkbar sind.“ Was für eine lächerliche Behauptung, aber darüber hinaus: welch Hohn auf die Künstler, deren Werke in Heidelberg weiter als bösgläubig erworbene Beutekunst okkupiert gehalten werden.
Originalzitate Prinzhorn: „Gemeinschaft und Führertum. Ansatz zu einer biozentrischen Gemeinschaftstheorie“ (darüber schreibt er 1932 einen ganzen Aufsatz), „Urbild des Führermenschen“. Das „Schicksal“ dieses „prometheischen Führers“ sei es, „innerhalb seiner Gruppe auf Grund neuer Erkenntnisse und Ziele die Gemeinschaft zu zersprangen und den Keim zu einer neuen Gemeinschaftsform zu legen“ „Aber ich hoffe, daß es recht viele gibt, die von einer gut durchgebildeten nationalsozialistischen Opposition den nächsten Schritt zu unserer politischen Reifung erwarten“, schreibt Prinzhorn in seinem ersten Beitrag „Über den Nationalsozialismus“ schon 1930! Seinen Antisemitismus begründet er bemerkenswerterweise mit der Notwendigkeit einer Verteidigung: „Es ist und bleibt grotesk, daß eine einflußreiche hochintellektuelle Presse es in den letzten Jahren wagen durfte, unser geistiges Leben mit einer zäh und konsequent betriebenen anti-arischen Propaganda zu durchsetzen“.
Jetzt soll 80 Jahre nach dem Beutezug von Prinzhorn dessen pathologisierender Blick auf die Künstler und Ihre Werke – das, was Primo Levi so zutreffend den „Aquariumblick“ genannt hat – in der Biennale noch einmal abgefeiert werden: das Anliegen Prinzhorns, eine monströse psychopathologische Schau der „Bildnerei der Geisteskranken“ zu organisieren, soll reproduziert werden.
Wir kennen das Anliegen: Den Psychiatern und Prinzhorn ging es in den 20er Jahren darum, endlich einen Angriff gegen den Dadaismus und dessen Einverleibung des Irrsinns in die Kunst und damit die Zersetzung der Machtbasis des Kerkersystems mit Folterregime Psychiatrie zu starten. Sie erfanden die „pathologische“ Kunst per Pathologisierung der Künstler, was seinen Höhepunkt in der Verdammung der ganzen Moderne in der „entarteten Kunst“ fand. Heute geht es einer zynischen Republik (siehe www.psychiatrie-erfahrene.de/eigensinn) darum, dem restaurativen Anliegen des Machterhalts des Ausgrenzungssystems Psychiatrie, mit staatlichen Mitteln zu Krücken zu verhelfen.
Die Ausstellung ist dem Prinzhornschen Ansatz verpflichtet. Entsprechend handelt es sich für die Ausstellungsmacher bei den „triebhaften Extrusionen“ der „Geisteskranken“ um „Bildnerei“ und so werden logischerweise die Urheber der Werke im Vorwort zum Katalog dieser Ausstellung kein einziges Mal „Künstler“ genannt.
Als Pikanterie am Rande ist dann noch zu bemerken, wie versucht wird, Jean Dubuffet für dieses Konzept zu vereinnahmen, hat er doch ganz im Gegensatz zu den Behauptungen der Ausstellungsmacher gesagt:
„Es gibt ebenso wenig eine Kunst der Geisteskranken, wie es eine Kunst der Magen- oder Kniekranken gibt.“