Zur
Frage der Verfassungskonformität der geplanten Neufassungen
der Gesetze zur Unterbringung
psychisch kranker Menschen in den Bundesländern
Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hessen sowie
der Maßregelvollzugsgesetze
der Länder Schleswig-Holstein, Hessen und Niedersachsen.
Die
Beweggründe der Landesgesetzgeber sind verständlich
und beachtenswert.
Grund-
und menschenrechtlich fundamental gelten die Integrität
(Deutsch: Unversehrtheit) und Selbstbestimmung des Menschen.
Sie konstituieren im Wesentlichen seine Würde. Diese ist
nach Satz 1 des 1. Artikels des Grundgesetzes zu einem Tabu
erklärt worden. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Darum bildet die Frage, ob und – wenn überhaupt – inwieweit
Zwangszu- und eingriffe in Unterbringung und Behandlung psychisch
kranker Menschen mit der freiheitlichen Verfassung des Grundgesetzes
übereinstimmten, ein zentrales und komplexes Problem zugleich.
Von
früheren Beschlüssen abgesehen, hat sich das Bundesverfassungsgericht
in den letzten Jahren mehrfach mit den möglichen Graden
und den notwendigen Grenzen verfassungsgemäßen Zwangs
auseinandergesetzt. Es hat in neuerlichen Entscheidungen, verfassungstief
fundiert, nachdrücklich klar und deutlich gemacht: Zwang
verletze prinzipiell die Grund- und Menschenrechte der Zwang
unterworfenen Menschen. Mit einer Reihe ausdifferenzierter Vorbehalte
hat es allerdings eingeräumt, Fälle psychisch behinderter
Menschen seien vorstellbar für die, allerdings nur unter
schwer machbaren Voraussetzungen, die Grenze des Nichtzwangs
punktuell und kurzfristig ausfielen.
Die
Landesgesetzgeber, den Problemen und Konflikten in ihren Bevölkerungen
unmittelbarer ausgesetzt und außerdem dafür zuständig,
haben sich angesichts des verfassungs- und freiheitsgemäß
prinzipiellen Nein zum Zwang, verbunden mit einem konditionalen
Aber zu einem Teil daran gemacht – andere werden mutmaßlich
folgen – ihre Landesgesetze in Sachen zwangsweiser Unterbringung
und Behandlung als psychisch krank erkannter Menschen neu zu
fassen. Diese Gesetze werden im Folgenden Revue passiert, mit
verfassungsgerichtlichen und andersseitigen Normen, Postulaten
und Einwänden teils garniert, teils konfrontiert. Die Gesetze,
Normen und Postulate kreisen nahezu ausschließlich um
folgende Fragen nach folgenden nicht mehr diskutablen Prämissen.
Zum
ersten: Psychisch behinderte Menschen stehen in vollem Umkreis
im normativen Bann der konstitutiven Menschenrechte auf Freiheit,
Integrität und Selbstbestimmung und ihrer Gewölbenorm
menschlicher Würde. Ausnahmen sind nicht gegeben. Menschenrechte
sind kein Fiaker, den man auf geltendem Urlaub besteigen oder
verlassen kann. In ihnen steckt ein normativ vorgegebener Verhaltenszwang.
Das macht das Fundament eines sonst immer beliebig flüggen
Rechtstaats aus. Subsidiär hat der Bundesgesetzgeber darum
in den neuen §§ 1901a ff. BGB (Patientenverfügungsgesetz)
das Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen bis zum Tod grundgelegt,
den Prozess des Sterbens eingeschlossen. Die „Patientenverfügung“
ist dafür hilfreich. Sie ist jedoch keine conditio sine
qua non.
Zum
zweiten: Das Bundesverfassungsgericht hat verschiedentlich artikuliert
– das tut eingeschränkter noch ohne zusätzliche Erläuterungen
die zum Bundesgesetz gewordene Behindertenrechtskonvention von
2009 -, dass die fundamentale humane Selbstbestimmungsregel
dennoch dort möglicherweise eine relativierende Macke besitze,
wenn festgestellt werde, dass ein psychisch kranker Mensch nicht
mehr im Besitz seiner Geisteskräfte sei, sich selbst zu
bestimmen. Dann sei jedenfalls zu erwägen, ob subsidiär
an die Stelle nicht mehr gegebener Selbstbestimmung der Patient
fremd bestimmt werden könne, ja müsse. Darum ranken
sich fast alle einzelgesetzlichen Bestimmungen in den landesgesetzlichen
leges propositae, also den Gesetzesentwürfen um die zusätzlichen
Fragen: Wer und wie mit welchen Folgen bestimmt die intellektuelle
Ohnmacht eines Kranken? Kann angesichts einer solchen schlechterdings
konstitutiven humanen Norm, und sei es der beste Gesetzgeber,
irgendeine Person oder Instanz substitutiv an die Stelle einer
Person treten? Was bedeutet das immer erneut aufgetischte Argument,
die – wer bestimmt d i e – ultima ratio menschlichen Umgangs,
also eventuell gewaltsame Äußerungen eines Patienten,
verlange im „Notfall“ heterogenen Zwang? Ist nicht die ultima
ratio des Menschen als immer schon soziales und abhängiges
Wesen eben das ultimum humanum, der unteilbar, sprich individuell
vorgegebene Mensch?
3.
Die geplanten Neufassungen der Länder leiden, wie die Darlegungen
im einzelnen ergeben werden, durchgehend darunter, dass sie
die Unsicherheiten des Gesetzgebers und aller nicht eigens durchleuchteten
psychiatrischen Institutionen und Berufe nicht bedenken. Dass
sie nicht Mittel und Wege suchen, wie mit diesen eigenen Unsicherheiten
des Gesetzgebers und formell zuständiger Instanzen und
Repräsentanten a la psychiatrische Berufe notfalls umwegig
und aufwändig umzugehen sei. Stattdessen projizieren sie
eigene Unsicherheiten, solche auch der Grenzen möglicher
grundrechtskonformer Verrechtlichung auf die angeblich intellektuell
debilen psychischen Kranken. Kurz: um eigene und anderer Unsicherheiten
zu beheben, tendiert man dazu, psychisch Behinderte, allen Hilfen
zum Trotz unvermeidlich Benachteiligte, mit Zwängen zu
überziehen. Diese Art der Entlastung durch die Zwangsbelastung
psychisch Kranker ist schlechterdings mit keiner irgendwie liberaldemokratischen
Verfassung der Welt und in ihr lebenden Menschen zu vereinbaren.
1.
Die Motive der Gesetzesentwürfe der Landesgesetzgeber
Die
psychiatrische Behandlung gegen den Willen des Betroffenen mit
Neuroleptika greift durch deren Nebenwirkungen in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs.
1 GG) und das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit
(Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ein, das die körperliche Integrität
des Grundrechtsträgers und damit auch das diesbezügliche
Selbstbestimmungsrecht schützt i.
Der Eingriff einer „Zwangsbehandlung“ ist schon deshalb grundrechtsrelevant,
weil eine solche neuroleptisch-pharmakologische Medikation nicht
zu vernachlässigende erhebliche wesensverändernde
Effekte in sich birgt.
Die
Zwangsbehandlung ist, wie jeder andere Grundrechtseingriff,
nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die
Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs
bestimmt ii.
Der
Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes für die materiellen
und für die formellen Eingriffsvoraussetzungen hat den
Sinn, die primäre Zuständigkeit für die Bewertung
von Grundrechtsbeschränkungen als begründet oder ungerechtfertigt
zu bestimmen. Nur so ist gewährleistet, dass die Grenzen
zwischen zulässigem und unzulässigem Grundrechtsgebrauch
und zwischen zulässiger und unzulässiger Grundrechtseinschränkung
nicht fallweise nach eigener Einschätzung von beliebigen
Behörden oder Gerichten, sondern primär – in der Form
eines allgemeinen Gesetzes – durch den Gesetzgeber gezogen werden. iii.
Die
Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs
müssen hinreichend klar und bestimmt geregelt sein. Die
zur Normanwendung berufenen Entscheidungsträger der Unterbringungseinrichtung
benötigen auch im eigenen Interesse eine „klare, Rechtssicherheit
vermittelnden Eingriffsgrundlage“ iv.
Die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung
müssen aus dem Gesetz selbst in materieller als auch in
verfahrensrechtlicher Hinsicht erkennbar sein, was eine „über
abstrakte Verhältnismäßigkeitsanforderungen
hinausgehende Konkretisierung dieser Voraussetzungen“ bedeutet v.
Auch
die weiteren Voraussetzungen für die Zulässigkeit
einer Zwangsbehandlung einschließlich der Anforderungen,
denen die gesetzliche Grundlage für eine solche Behandlung
genügen muss, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem
Beschluss vom 23. März 2011 geklärt vi.
Zwangsbehandlungen
sind danach, wenn überhaupt, nur dann zuzulassen, wenn
Einwilligungsunfähigkeit des Patienten gegeben ist, die
geplante Zwangsbehandlung Erfolg verspricht, und das „letzte
Mittel“ darstellt. Vor jeder Zwangsbehandlung muss bei einem
gesprächsfähigen Betroffenen „der ernsthafte, mit
dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen
Drucks unternommene Versuch vorausgegangen sein, die auf Vertrauen
gegründete Zustimmung des Untergebrachten zu erreichen“.
Eine
Zwangsbehandlung muss zudem so frühzeitig angekündigt
werden, dass der Betroffene vorher rechtzeitig Rechtsschutz
suchen kann. Anordnung und Überwachung der Zwangsbehandlung
dürften zudem nur durch einen Arzt erfolgen. Die Zwangsbehandlung
selbst, aber auch das vorangegangene Gespräch, muss des
Weiteren dokumentiert werden und die Notwendigkeit einer Zwangsbehandlung
soll von einem externen Gutachter geprüft werden.
Wenn
und soweit eine gesetzliche Regelung fehlt oder unzureichend
ist, kann einem eventuellen Mangel nicht im Wege einer verfassungskonformen
Auslegung, sondern nur durch den Gesetzgeber abgeholfen werden vii.
An
diesen verfassungsrechtlichen Kriterien wird jedwede künftige
Eingriffsgrundlage, wie auch mit den Novellierungen der einzelnen
Landesgesetze vorgesehen, zu messen sein.
Für
die medizinische Behandlung eines Menschen gilt, dass der Patient
selbst entscheidet, ob er ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt
oder aber diese ablehnt, unabhängig davon, ob diese Vorgabe
an den Arzt aus medizinischer Sicht vernünftig erscheint
oder nicht.
Kein
Patient kann im Zuge einer Duldungspflicht genötigt werden,
einen medizinischen Eingriff oder eine medizinische Behandlung
zu dulden. Ein solcher oder eine solche erfüllt „grundsätzlich
den Straftatbestand der Körperverletzung“, weil jedweder
Eingriff in die körperliche Unversehrtheit „nur mit der
– in strafrechtlicher Hinsicht rechtfertigenden – Einwilligung
des Betroffenen zulässig ist“ viii.
Während
es eine Selbstverständlichkeit ist, dass ein Patient auch
unter den Bedingungen von freiheitsentziehenden Maßnahmen
im Zuge seines Selbstbestimmungsrechtes jedwede ärztliche
oder therapeutische Behandlung ablehnen darf, auch wenn gesundheitliche
Gefahren drohen ix,
soll dies bei einem psychisch kranken Menschen zumindest dann
nicht gelten, wenn ein Facharzt für Psychiatrie bei dem
Betroffenen von beabsichtigten Zwangsmaßnahmen „Einwilligungsunfähigkeit“
konstatiert hat.
Zwangsbehandlung
wurde bis 2011 auf verschiedenen Rechtsgrundlagen, betreuungsrechtlich
auf den §§ 1904 und 1906 a.F. BGB, öffentlich-rechtlich
auf landesrechtliche Vorschriften zur Unterbringung psychisch
Kranker (UBG/PsychKG/HFEG) und gegebenenfalls ergänzend
auf Vorschriften zum Maßregelvollzug gestützt.
Anlässlich
einer Entscheidung zum Unterbringungsgesetz des Landes Baden-Württemberg
hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1981 auf die mögliche
Gefahr einer „Vernunfthoheit des Arztes über den Patienten“
und „einer umfassenden staatlichen Gesundheitsvormundschaft“
hingewiesen, denen es auf dem Rechtsweg im Zuge effektiver richterlicher
Kontrolle zu begegnen gelte x,
ohne hieraus allerdings die naheliegende Konsequenz zu ziehen,
die Legitimation von Zwangseingriffen generell in Frage zu stellen.
Vielmehr
wurde in dieser Entscheidung aus 1981 zwischen leichteren Formen
psychischer Erkrankungen, bei denen ein „Recht auf Krankheit“
gelten solle, und schwereren Verlaufsformen, bei denen der „psychisch
Kranke vor sich selbst in Schutz zu nehmen“ sei, unterschieden
und nur für die leichteren Verlaufsformen und „Abweichungen
vom Durchschnittsverhalten“ xi
ein Selbstbestimmungsrecht jenseits staatlicher Fürsorge
anerkannt.
Seit
2011 hat in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgrund
mehrerer Leitsatzentscheidungen ein tiefgreifender Wandel stattgefunden
Erstmals wurde in dieser Deutlichkeit anerkannt, dass Zwangsbehandlungen
eine besondere Grundrechtsintensität aufweisen.
Auch
und gerade wegen der Potenzierung der Rechtsgutverletzungen
(zum einen wird dem Patienten seine Freiheit durch Unterbringung
auf einer geschlossenen Station entzogen, zum anderen wird er
zwangsweise durch massive Eingriffe in die körperliche
Unversehrtheit veranlasst, die Wirkungen von Psychopharmaka
mit wesensveränderndem Einfluss und starken Nebenwirkungen
zu erdulden) kommt es zu einer massiven Eingriffsintensität.
Dies
hat das Bundesverfassungsgericht wie auch den Bundesgerichtshof
in den Jahren 2011 und 2012 veranlasst, sämtliche bislang
geltenden bundes- und landesrechtlichen Eingriffsgrundlagen
für eine solche Zwangsbehandlung für nichtig zu erklären.
Eine Legitimation hierfür aus den vorhandenen Regelwerken
wird abgelehnt.
Die
bisherigen Bundes- und Landesgesetze, die die pharmakologische
Zwangsbehandlung von psychisch Kranken mit selbst- oder auch
fremdgefährdenden Verhaltensweisen regeln, waren demnach
nicht verfassungskonform.
Die
Zwangsbehandlung eines einsichtsfähigen und einwilligungsfähigen
Patienten muss nach den aus den Entscheidungen in 2011 und 2012
stammenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Selbstbestimmungsrecht
des Patienten generell und ohne Ausnahme künftig ausscheiden.
Nur
wenn ein Patient krankheitsbedingt nicht krankheitseinsichtig
sei, sei eine Zwangsbehandlung bei hinreichenden gesetzlichen
Vorgaben im Übrigen denkbar. Nur in diesem Falle könne
der Betroffene überhaupt gehindert sein, „seine grundrechtlichen
Belange wahrzunehmen“, was ebenfalls „zu einer Verletzung der
Menschenwürde führen könne“.
Für
den Maßregelvollzug wurde die Zwangsbehandlung mit Neuroleptika
mangels hinreichender Rechtsgrundlage erstmals mit Beschluss
des Bundesverfassungsgerichtes vom 23.3.2011 xii
(vorausgegangene Eilentscheidung 2009) in Rheinland-Pfalz für
unzulässig und die dortige bislang herangezogene Eingriffsgrundlage,
§ 6 Absatz 1 Satz 2 MVollzG des Bundeslandes Rheinland-Pfalz,
für nichtig erklärt. Es folgten weitere Nichtigkeitsentscheidungen
des Bundesverfassungsgerichtes vom 12.10.2011 zu § 8 UBG
BW des Bundeslandes Baden-Württemberg xiii
und am 10. Februar 2013 zu den landesgesetzlichen Regelungen
der §§ 22, 23 SächsPsychKG xiv.
Dieser
Rechtsprechung hat sich der Bundesgerichtshof in zwei Beschlüssen
vom 20.06.2012 xv
zu § 1906 BGB a.F. xvi
angeschlossen. Er hat seine bisherige Rechtsprechung zur medikamentösen
Zwangsbehandlung im Rahmen des § 1906 BGB aufgegeben.
§
1906 BGB a.F. und auch die übrigen betreuungsrechtlichen
materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften waren nach
dieser höchstrichterlichen Feststellung keine hinreichende
Eingriffsgrundlage zur Zwangsbehandlung. Für potentiell
Betroffene einer zwangsweisen Behandlung mit Neuroleptika gegen
den Willen nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. waren die
wesentlichen Voraussetzungen dafür aus dem Gesetz selbst
nicht erkennbar und auch nicht (mehr) im Wege der Auslegung
ableitbar. Schon die Eingriffsintensität der Zwangsbehandlung
hätte eine solche Auslegung nicht zugelassen xvii.
Das
Bundesverfassungsgericht hatte eine medizinische Zwangsbehandlung
in seinen Entscheidungen aus 2011 allerdings nicht per se für
verfassungswidrig erklärt, sondern eine verfassungsrechtliche
Rechtfertigung in Grenzen zugelassen. Der BGH hat darauf verwiesen,
„dass das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger
medizinischer Maßnahmen dazu führen könne, dass
ein Betroffener ohne eine solche Behandlung einen erheblichen
Schaden“ nehmen könnte xviii.
Allerdings haben alle höchstrichterlichen Entscheidungen
festgelegt, dass den Gesetzgeber keine Pflicht zur Schaffung
von Zwangsbehandlungsgesetzen trifft und insoweit keine Handlungspflicht
des Staates statuiert. Dem Gesetzgeber steht es demnach nach
wie vor frei, Zwangsbehandlung „durch Schweigen zu verbieten“ xix.
Aus
den jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes
und des Bundesgerichtshofes leiten Bundes- wie Landesgesetzgeber
im vorliegenden Fall eine Legitimation ab, die rechtlichen Grundlagen
der Zwangsbehandlung von einwilligungsunfähigen Patienten
neu zu regeln. Hier wird zumeist auf die sich aus Art. 2 Abs.
2 Satz 1 GG ergebende Schutzpflicht des Staates und die Notwendigkeit
von „Rechtssicherheit“ verwiesen xx.
So
ist die Zwangsbehandlung von psychisch Kranken nach § 1906
BGB auf Bundesebene im Betreuungsrecht seit dem 26.02.2013 wieder
möglich xxi.
Der
Bundestag billigte am 17.01.2013 einen entsprechenden inzwischen
in Kraft getretenen Gesetzentwurf von Union und FDP, wonach
Ärzten als `ultima ratio´ erlaubt wird, psychisch
kranke oder geistig behinderte Menschen auch gegen ihren Willen
zu behandeln xxii.
Das
Bundesjustizministerium hält die Neuregelung des §
1906 BGB und des FGG für eine „deutliche Verbesserung
der Situation“ seit den Nichtigkeitsentscheidungen von
BVerfG und BGH. Die Rechtsunsicherheit der Ärzte verschwinde,
außerdem würden die Anforderungen für eine Zwangsbehandlung
„klarer definiert“ xxiii.
Auch
die Landesregierungen Hessen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein
wollen in Landesgesetzen zur Unterbringung psychisch Kranker
die Zwangsbehandlung Einwilligungsunfähiger neu fassen;
Niedersachsen, Hessen und Schleswig-Holstein planen eine Novellierung
des Maßregelvollzugrechtes, um eine neue Rechtsgrundlage
für Zwangsbehandlung zu schaffen.
Ziel
der geplanten Gesetzesnovellierungen ist, die Zwangsmedikation
von nach den einzelnen Landesgesetzen untergebrachten Personen
auf eine neue und ausreichende gesetzliche Grundlage zu stellen;
die Novellierungen werden seitens der Landesgesetzgeber ausweislich
der jeweiligen Begründungen der Gesetzesnovellen als unausweichlich
gesehen, weil das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom
12.10.2011 xxiv
die bisherige Grundlage für Zwangsbehandlungen gegen den
Willen untergebrachter Personen – auch im Maßregelvollzug
– für verfassungswidrig erklärt hat.
Diese
Grundsatzentscheidung zu Beginn einer Reihe inhaltlich wesentlich
gleichlautender höchstrichterlicher Entscheidungen wirke
sich, so die Landesgesetzgeber, auch auf die vergleichbaren
gesetzlichen Regelungen für die psychiatrische Zwangsbehandlung
aus. Denn den vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten verfassungsrechtlichen
Grenzen einer Zwangsbehandlung tragen bislang keine der landesrechtlichen
Regelungen zur Unterbringung psychisch kranker Menschen (UBG/PsychKG)
noch die der Maßregelvollzugsgesetze (MVollzG) Rechnung.
Dementsprechend
gibt es in keinem Bundesland zurzeit eine hinreichende Rechtsgrundlage
für die medizinische Behandlung gegen den Willen eines
Patienten.
Die
bisherigen landesgesetzlichen Rechtsgrundlagen lassen vielmehr
dem Wortlaut nach eine Zwangsbehandlung ohne besondere Voraussetzungen
zu.
Sie
enthalten damit allesamt bei einem Vergleich mit den vom Bundesverfassungsgericht
für verfassungswidrig erklärten Regelungen des rheinland-pfälzischen
Maßregelvollzugsgesetzes und des baden-württembergischen
Unterbringungsgesetzes ebenfalls keine den grundgesetzlichen
Anforderungen genügende Eingriffsermächtigung für
eine Zwangsbehandlung.
Ungeachtet
der Schwere des Eingriffs der Zwangsbehandlung eines Untergebrachten
muss es dem Gesetzgeber prinzipiell erlaubt sein, solche Eingriffe
zuzulassen, was auch das Bundesverfassungsgericht eingeräumt
hat xxv.
Entsprechend
dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes kann im Maßregelvollzugsgesetz
in Rheinland-Pfalz als einem Gesetz (auch) mit generalpräventivem
Charakter kein Schutz Dritter etwa vor Straftaten mehr in Betracht
kommen, um damit Zwangsbehandlung zu rechtfertigen xxvi.
Präventiven Aspekten könne, so das Bundesverfassungsgericht,
hinreichend durch die geschlossene Unterbringung nach den §§
63, 64 StGB Rechnung getragen werden xxvii.
Insbesondere
das grundrechtlich geschützte Freiheitsinteresse des Untergebrachten
selbst (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) könne geeignet sein, die
Zwangsbehandlung gegen den erklärten Willen zu rechtfertigen,
sofern der Untergebrachte zur Wahrnehmung dieses Interesses
infolge krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit nicht
in der Lage sei xxviii.
Zwischen
dem durch einen Zwangseingriff eingeschränkten Recht auf
freie Selbstbestimmung und den grundrechtlichen Belangen, hier
dem Freiheitsinteresse des Untergebrachten, die durch den Eingriff
gewahrt werden sollen, habe eine Abwägung stattzufinden.
Diese Abwägung müsse vor dem Hintergrund gesehen werden,
dass einem Teil der Untergebrachten auf Grund ihrer Erkrankung
eine freie Willensentscheidung nicht möglich sei.
Sofern
der untergebrachte Patient krankheitsbedingt nicht zur Einsicht
in die Krankheit fähig sei, könne ausnahmsweise ein
Eingriff in sein Grundrecht nach Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes
zulässig sein, wenn dieser darauf ziele, dass er sein Selbstbestimmungsrecht
danach wieder ausüben könne.
Dies
treffe z. B. auf Untergebrachte mit schizophrenen Erkrankungen
zu. Schizophrene Psychosen zeichneten sich insbesondere durch
erhebliche Störungen basaler kognitiver Fähigkeiten,
der Ich-Funktion und des Realitätsbezuges aus, so dass
die Betroffenen aufgrund der Erkrankung selbst die Notwendigkeit
einer Behandlung nicht kritisch erkennen und reflektieren könnten.
Eine misstrauisch-ablehnende Haltung sei häufig Bestandteil
der Krankheitssymptomatik. Hier liege die Fähigkeit zu
einer freien Entscheidung für die vorliegende Krankheit
im Rahmen einer akuten oder chronisch floriden Symptomatik nicht
vor, da die Erkrankung selbst die Persönlichkeitsstruktur
und die sich aus ihr ergebenden Muster der Entscheidungsfindung
und Willensbildung nachhaltig beeinträchtige. Eine unbehandelte
Schizophrenie könne für den Betroffenen einen fortschreitenden
Zerfall der Persönlichkeit mit gravierenden psychosozialen
Folgen bedeuten xxix.
Sobald
die Fähigkeit zur Selbstbestimmung wiederhergestellt sei,
könne sich der Untergebrachte dann wieder frei entscheiden,
ob er eine weitere Behandlung im Sinne seines Freiheitsinteresses
wünsche oder ob er von seiner grundrechtlich geschützten
Freiheit dahingehend Gebrauch mache, sich für die „Freiheit
zur Krankheit“ zu entscheiden und auf Heilung zielende Eingriffe
abzulehnen xxx.
Die
Landesregierungen von Baden-Württemberg, Niedersachsen,
Hessen und Schleswig-Holstein sehen entsprechenden Handlungsbedarf,
die Regelungen der Unterbringungsgesetze PsychKG/UBG beziehungsweise
der Maßregelvollzugsgesetze in Novellen den rechtlichen
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wie folgt anzupassen.
2.
Die Gesetzentwürfe im Wortlaut – Ein Überblick
Sämtliche
Landesgesetze enthalten bislang keine hinreichend konkrete Grundlage
zur Zwangsbehandlung und dürften allesamt schon nicht den
Anforderungen, die an die Klarheit und Bestimmtheit der gesetzlichen
Grundlage für einen besonders schweren Grundrechtseingriff
zu stellen sind, entsprechen. Aus diesem Grund sieht der jeweilige
Landesgesetzgeber auch die Notwendigkeit von Gesetzesnovellen
(a)
Der Entwurf § 8 UBG Baden-Württemberg neue Fassung
lautet wie folgt (Stand Dezember 2012):
§
8 Behandlung
(1)
Wer auf Grund dieses Gesetzes in einer anerkannten Einrichtung
untergebracht ist, hat Anspruch auf die notwendige Behandlung.
Die Behandlung der Anlasserkrankung soll die tatsächlichen
Voraussetzungen freier Selbstbestimmung der untergebrachten
Person so weit als möglich wieder herstellen, um ihr ein
möglichst selbstbestimmtes, in der Gemeinschaft eingegliedertes
Leben in Freiheit zu ermöglichen. Die Behandlung umfasst
auch Maßnahmen, die erforderlich sind, um der untergebrachten
Person nach ihrer Entlassung ein eigenverantwortliches Leben
in der Gemeinschaft zu ermöglichen.
(2)
Die Behandlung bedarf der Einwilligung der untergebrachten Person.
Die Einwilligung muss auf dem freien Willen der insoweit einwilligungsfähigen
und ärztlich angemessen aufgeklärten untergebrachten
Person beruhen. Die Aufklärung soll dem Ziel dienen, dass
die untergebrachte Person der Behandlung zustimmt.
(3)
Die Einwilligung der untergebrachten Person ist dann nicht erforderlich,
wenn und solange
1.
sie krankheitsbedingt zur Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit
der Krankheit, wegen derer ihre Unterbringung notwendig ist,
oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht nicht fähig
ist und die Behandlung nachweislich dazu dient,
a)
eine Lebensgefahr oder eine akute schwerwiegende Gefahr
für die Gesundheit der untergebrachten Person abzuwenden
oder
b)
die tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung
der untergebrachten Person so weit als möglich wiederherzustellen,
um ihr ein möglichst selbstbestimmtes,in
der Gemeinschaft eingegliedertes Leben in Freiheit zu ermöglichen
oder
2.
die Behandlung dazu dient, eine Lebensgefahr oder eine akute
schwerwiegend Gefahr für die Gesundheit dritter Personen
abzuwenden.
Die
Behandlung nach Satz 1 muss im Hinblick auf das Behandlungsziel,
das ihren Einsatz rechtfertigt, Erfolg versprechen. Sie darf
nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn mildere Mittel,
insbesondere eine weniger eingreifende Behandlung, aussichtslos
sind. ln den Fällen von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b muss
ihr der Versuch einer ernsthaften ärztlichen Aufklärung
der betroffenen untergebrachten Person vorausgegangen sein,
der darauf zielt, deren auf Vertrauen gegründete Zustimmung
zu erreichen; in den Fällen von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe
a und Nummer 2 soll eine solche ärztliche Aufklärung
erfolgen, sofern die Umstände diese zulassen. Ist die ärztliche
Aufklärung unterblieben, soll sie sobald als möglich
nachgeholt werden. Die für die untergebrachte Person mit
der Behandlung einhergehenden Belastungen dürfen nicht
außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen;
der im Hinblick auf die Behandlung zu erwartende Nutzen muss
mögliche Schäden der Nichtbehandlung deutlich feststellbar
überwiegen. Erfordert die Behandlung einen operativen Eingriff
oder ist sie mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder
Gesundheit verbunden und ist die untergebrachte Person nicht
fähig, Grund, Bedeutung oder Tragweite der Behandlung einzusehen
oder ihren Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen, ist die
Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertretung erforderlich.
(4)
Eine Behandlung nach Absatz 3 darf nur auf ärztliche Anordnung
und unter ärztlicher Überwachung durchgeführt
werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall,
dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar
und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist. Die Behandlungsmaßnahmen
sind zu dokumentieren. Ist
eine Behandlung nach Absatz 3 erfolgt, soll, sobald es der Gesundheitszustand
der untergebrachten Person zulässt, eine Nachbesprechung
der Maßnahme durch die zuständige Ärztin oder
den zuständigen Arzt erfolgen. Das Gespräch ist zu
dokumentieren.
(5)
Eine Behandlung nach Absatz 3 ist nur mit Zustimmung des Betreuungsgerichts zulässig.
Für Personen, die nach § 15 untergebracht sind, ist
die vorherige Zustimmung der Strafvollstreckungskammer beziehungsweise
Jugendkammer erforderlich. Dies
gilt nicht in den Fällen von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe
a und Nummer 2, wenn hierdurch die Behandlung verzögert
würde und sich hieraus Nachteile für das Leben oder
die Gesundheit der gefährdeten Person ergeben würden
(„Gefahr im Verzug“).
(6)
Liegt eine wirksame Patientenverfügung der zu behandelnden
Person vor, durchdie
eine Behandlung nach Absatz 3 ausgeschlossen ist, geht die Patientenverfügung vor.
Dies gilt nicht, wenn ein Fall von Absatz 3 Satz 1 Nummer 2
vorliegt.“
(b)
Der Entwurf der §§ 8 ff. MVollzG (Nds.) lautet wie
folgt (Stand Januar 2013):
§
8 – Behandlung der Anlasskrankheit
(1) 1Der
Untergebrachte hat Anspruch auf die nach dem aktuellen Stand
des Wissens notwendige medizinische, therapeutische, pflegerische
und pädagogische Behandlung seiner psychischen Krankheit,
Störung oder Behinderung, die der Unterbringung zugrunde
liegt (Anlasskrankheit). 2Die
Bereitschaft zur Behandlung und die Mitarbeit sind zu fördern. 3Eine
Behandlung, die die Persönlichkeit des Untergebrachten
in ihrem Kernbereich verändern würde, ist unzulässig.
(2)
Der Untergebrachte ist durch einen Arzt über Notwendigkeit,
Art, Dauer und Umfang der Behandlung in einer seiner Auffassungsgabe
und seinem Gesundheitszustand angemessenen Weise aufzuklären.
§
8 a – Zulässigkeit der Behandlung der Anlasskrankheit bei
Einwilligungsfähigen
1Ist
der Untergebrachte fähig, Grund, Bedeutung und Tragweite
der Behandlung einzusehen und seinen Willen nach dieser Einsicht
zu bestimmen (Einwilligungsfähigkeit), so ist die Behandlung
der Anlasskrankheit zulässig, wenn der Untergebrachte nach
entsprechender Aufklärung (§ 8 Abs. 2) in die Behandlung
eingewilligt hat. 2Willigt
ein einwilligungsfähiger Untergebrachter in die Behandlung
nicht ein, so ist er durch einen Arzt auf die möglichen
medizinischen und rechtlichen Folgen der Ablehnung hinzuweisen.
§
8 b – Zulässigkeit der Behandlung der Anlasskrankheit bei
Einwilligungsunfähigen
(1) 1Ist
der Untergebrachte einwilligungsunfähig, so ist für
die Behandlung der Anlasskrankheit sein natürlicher Wille
festzustellen. 2Ist
der natürliche Willenach entsprechender Aufklärung
(§ 8 Abs. 2) auf die Durchführung der Behandlung gerichtet,
so ist sie zulässig. 3Ist
der natürliche Wille gegen die Durchführung der Behandlung
gerichtet, so ist die Behandlung nur aufgrund einer schriftlichen
Anordnung der Vollzugsleitung nach den Absätzen 4 bis 7
und nach Maßgabe der Absätze 8 und 9 zulässig.
(2) 1Ist
der natürliche Wille eines einwilligungsunfähigen
volljährigen Untergebrachten nicht feststellbar und liegt
eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs.
1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vor, deren
Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation
zutreffen, so richtet sich die Zulässigkeit der Behandlung
der Anlasskrankheit nach dem daraus ermittelten Willen. 2Ob
die Festlegungen der Patientenverfügung auf die aktuelle
Lebens- und Behandlungssituation zutreffen, prüft der Betreuer
oder der Bevollmächtigte; er hat dem Willen des Betreuten
Ausdruck und Geltung zu verschaffen (§ 1901 a Abs. 1 BGB). 3Hat
der Untergebrachte weder einen Betreuer noch einen Bevollmächtigten,
so hat die Vollzugsleitung die Bestellung eines Betreuers anzuregen. 4Solange
ein Betreuer nicht bestellt ist, obliegen die Aufgaben nach
Satz 2 dem zuständigen Arzt. 5Liegt
eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs.
1 Satz 1 BGB nicht vor oder treffen die Festlegungen der Patientenverfügung
auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation nicht zu,
so beurteilt sich die Zulässigkeit der Behandlung der Anlasskrankheit
nach § 1901 a Abs. 2 BGB; die Sätze 3 und 4 gelten
entsprechend.
(3) 1Ist
der natürliche Wille eines einwilligungsunfähigen
minderjährigen Untergebrachten nicht feststellbar, so ist
die Behandlung der Anlasskrankheit zulässig, wenn der mutmaßliche
Wille des minderjährigen Untergebrachten auf die Durchführung
der Behandlung gerichtet ist. 2Für
die Ermittlung des mutmaßlichen Willens gilt 1901 a Abs.
2 BGB entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle
des Betreuers die Personensorgeberechtigten treten.
(4) 1Eine
Anordnung der Behandlung der Anlasskrankheit gegen den natürlichen
Willen des Untergebrachten kann getroffen werden, wenn
1.
eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs.
1 Satz 1 BGB, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens-
und Behandlungssituation zutreffen und gegen die Durchführung
der Behandlung gerichtet sind, nicht vorliegt,
2.
der ernsthafte, mit dem erforderlichen Zeitaufwand und ohne
Ausübung von Druck unternommene Versuch eines Arztes,
eine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu der Behandlung
zu erreichen, erfolglos geblieben ist,
3.
die Behandlung mit dem Ziel vorgenommen wird, als Voraussetzung
für das Erreichen des Ziels der Unterbringung die tatsächlichen
Voraussetzungen freier Selbstbestimmung des Untergebrachten
zu schaffen oder wiederherzustellen, und die Behandlung geeignet
ist, dieses Ziel zu erreichen,
4.
weniger eingreifende Behandlungen aussichtslos sind und
5.
der Nutzen der Behandlung die mit ihr einhergehenden Belastungen
und den möglichen Schaden bei Nichtbehandlung deutlich
überwiegt. 2Für
die Feststellung, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr.
1 vorliegen, gilt Absatz 2 Sätze 2 bis 4 entsprechend. 3In
der Anordnung müssen Art, Dauer und Umfang der Medikation,
die Intensität der ärztlichen und pflegerischen
Überwachung sowie andere begleitende Kontrollen bestimmt
werden. 4Art
und Dauer der konkret anzuwendenden Maßnahmen einschließlich
der Auswahl und Dosierung einzusetzender Medikamente und begleitender
Kontrollen dürfen nicht über das Erforderliche hinausgehen.
(5) 1Vor
einer Anordnung müssen zwei von der Einrichtung unabhängige
Sachverständige in einer gemeinsamen Stellungnahme festgestellt
haben, dass die Voraussetzungen des Absatzes 4 Satz 1 Nrn. 2
bis 5 vorliegen. 2Ein
Sachverständiger muss Facharzt für Psychiatrie sein
und der andere Sachverständige eine Person mit Erfahrung
im Umgang mit Untergebrachten. 3Das
Fachministerium beruft Fachärzte für Psychiatrie auf
Vorschlag der Ärztekammer Niedersachsen und Personen mit
Erfahrung im Umgang mit Untergebrachten auf Vorschlag des Ausschusses
für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung
als Sachverständige für die Dauer von fünf Jahren. 4Die
Auswahl der Sachverständigen im Einzelfall trifft das Fachministerium
oder die von ihm bestimmte Landesbehörde. 5Die
Sachverständigen sind unabhängig und nicht weisungsgebunden
sowie zur Verschwiegenheit verpflichtet. 6Sie
werden nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz
vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), zuletzt geändert durch
Artikel 13 des Gesetzes vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2418),
in der jeweils gültigen Fassung entschädigt. 7Die
Vollzugsleitung und der Träger der Einrichtung sind verpflichtet,
die Sachverständigen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. 8Sie
haben ihnen, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich
ist, Auskünfte zu erteilen, Akteneinsicht zu gewähren
und Gespräche mit den Untergebrachten sowie den Bediensteten
zu ermöglichen. 9Der
Untergebrachte ist von dem zuständigen Arzt über die
bevorstehende Begutachtung durch die Sachverständigen zu
unterrichten.
(6) 1Der
Untergebrachte ist nach Vorliegen der Stellungnahme der Sachverständigen
von dem zuständigen Arzt über die beabsichtigte Anordnung
zu unterrichten. 2Ist
der Untergebrachte minderjährig, so sind auch die Personensorgeberechtigten
zu unterrichten. 3Hat
der Untergebrachte einen Betreuer oder einen Bevollmächtigten,
so ist auch dieser zu unterrichten.
(7) 1Die
Anordnung der Behandlung ist dem Untergebrachten vor Behandlungsbeginn
schriftlich bekannt zu geben. 2Ist
der Untergebrachte minderjährig, so ist die Anordnung auch
den Personensorgeberechtigten bekannt zu geben. 3Hat
der Untergebrachte einen Betreuer oder einen Bevollmächtigten,
so ist die Anordnung auch diesem bekannt zu geben. 4Beantragt
der Untergebrachte nicht innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe
der Anordnung gerichtliche Entscheidung (§ 109 in Verbindung
mit § 138 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes), so darf mit
der Behandlung begonnen werden.
(8) 1Die
Behandlung ist unter Angabe der maßgeblichen Gründe
für ihre Anordnung, des Zwangscharakters der Behandlung,
der Art und Weise der Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen
und der Überwachung der therapeutischen Wirksamkeit zu
dokumentieren. 2Sie
ist durch einen Arzt zu überwachen.
(9) 1Die
Behandlung ist nach Erreichen des Behandlungsziels, spätestens
jedoch nach Ablauf von sechs Monaten zu beenden. 2Sie
ist auch zu beenden, wenn im Verlauf der Behandlung eine Besserung
nicht eintritt oder schwerwiegende Nebenwirkungen einen Abbruch
der Behandlung erforderlich machen. 3Die
Behandlung darf nach Ablauf von sechs Monaten nur fortgeführt
werden, wenn die Fortführung der Behandlung von der Vollzugsleitung
schriftlich angeordnet worden ist; die Absätze 4 bis 8
und die Sätze 1 und 2 gelten für die Fortführung
entsprechend.“ §
8 c – Behandlung bei einer in der Anlasskrankheit begründeten
gegenwärtigen erheblichen Gefahr
(1) 1Zur
Abwehr einer in der Anlasskrankheit begründeten gegenwärtigen
erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer
anderen Person ist eine Behandlung eines Untergebrachten auch
gegen dessen Willen zulässig, wenn sie geeignet ist, die
Gefahr abzuwehren, die Gefahr nicht durch ein weniger belastendes
Mittel abgewehrt werden kann und weniger eingreifende Maßnahmen
aussichtslos sind. 2Die
Behandlung bedarf der Anordnung der Vollzugsleitung.
(2)
Besteht eine in der Anlasskrankheit begründete gegenwärtige
erhebliche Gefahr nur für das Leben oder die Gesundheit
des Untergebrachten, so ist eine Behandlung des Untergebrachten
nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen
und der Untergebrachte die Behandlung in einwilligungsfähigem
Zustand nicht abgelehnt hat.
(3) 1Die
Behandlung ist unter Angabe der maßgeblichen Gründe
für ihre Anordnung, des Zwangscharakters der Behandlung,
der Art und Weise der Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen
und der Überwachung der therapeutischen Wirksamkeit zu
dokumentieren. 2Sie
ist durch einen Arzt zu überwachen. 3Ist
der Untergebrachte minderjährig, so sind die Personensorgeberechtigten
zu unterrichten. 4Hat
der Untergebrachte einen Betreuer oder Bevollmächtigten,
so ist dieser zu unterrichten.
(4)
Die Behandlung ist nach Erreichen des Behandlungsziels, spätestens
nach Ablauf von zwei Wochen zu beenden. §
8 d – Behandlung sonstiger Krankheiten, sonstige Gesundheitsfürsorge,
Hygiene 1Untergebrachte
haben in entsprechender Anwendung der §§ 56 bis 63
des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes (NJVollzG)
vom 14. Dezember 2007 (Nds. GVBl. S. 720), zuletzt geändert
durch Artikel 2 des Gesetzes vom 12. Dezember 2012 (Nds. GVBl.
S. 566), in der jeweils geltenden Fassung Anspruch auf Behandlung
von anderen Krankheiten als der Anlasskrankheit sowie auf Schutzimpfungen,
medizinische Vorsorgeleistungen und Gesundheitsuntersuchungen
und in entsprechender Anwendung des § 71 NJVollzG auf Leistungen
bei Schwangerschaft und Mutterschaft. 2Untergebrachte
sind anzuhalten, auf die eigene Gesundheit zu achten, auf die
Gesundheit anderer Personen Rücksicht zu nehmen und Hygienevorschriften
einzuhalten.
(c)
Der Entwurf des § 11 des vollständig neu geschaffenen
UBG des Landes Hessen lautet wie folgt :
§
11 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
(1)
Medizinische Untersuchungen und Behandlungen sowie die Ernährung
sind zwangsweise gegen den natürlichen Willen einer untergebrachten
Person nur zulässig bei
1.
Lebensgefahr,
2.
erheblicher Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der
Gesundheit der untergebrachten Person oder
3.
erheblicher Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der
Gesundheit anderer Personen oder
4.
wenn dies zur Wiedererlangung der Freiheit und zur Wiederherstellung
der Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der untergebrachten
Person erforderlich ist und wenn gewichtige Gründe die
Annahme belegen, dass ohne die Maßnahme die Entlassung
der untergebrachten Person nicht möglich sein wird.
(2)
Zwangsmaßnahmen nach Abs. 1 dürfen nur angeordnet
werden, wenn
1.
erfolglos versucht worden ist, die auf Vertrauen gegründete
Zustimmung der untergebrachten Person zu der Untersuchung,
Behandlung oder Ernährung zu erwirken,
2.
deren Anordnung der untergebrachten Person angekündigt
wurde und sie über Art, Umfang und Dauer der Maßnahme
durch eine Ärztin oder einen Arzt aufgeklärt wurde,
3.
die Maßnahme zur Abwendung der Lebens- oder Gesundheitsgefahr
oder zur Wiederherstellung der Freiheit geeignet, erforderlich,
für die betroffene Person nicht mit unverhältnismäßigen
Belastungen und Folgen verbunden ist und mildere Mittel keinen
Erfolg versprechen und
4.
der zu erwartende Nutzen der Maßnahme den möglichen
Schaden der Nichtbehandlung deutlich überwiegt.
(3)
Zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen in den Fällen
des Abs. 1 Nr. 1 und 2 ist die Einrichtung nicht berechtigt,
solange von einer freien Willensbestimmung der untergebrachten
Person ausgegangen werden kann.
(4)
Zwangsmaßnahmen nach Abs. 1 werden durch eine Ärztin
oder einen Arzt nach § 4 Abs. 2 geleitet und überwacht.
Die Gründe für die Anordnung der Maßnahmen nach
Abs. 1, das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 2 sowie
die ergriffenen Maßnahmen, einschließlich ihres
Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der Wirkungsüberwachung
sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf, sind zu dokumentieren.
(5)
Von den Anforderungen nach Abs. 2 Nr. 1 und 2 kann abgesehen
werden, wenn Gefahr im Verzug besteht.
(6)
Liegt eine wirksame Patientenverfügung der zu behandelnden
Person vor, durch die die Behandlung ausgeschlossen ist, ist
die Patientenverfügung vorrangig. Dies gilt nicht für
den Fall des Abs. 1 Nr. 3, wenn die Behandlung dazu dient, eine
Lebensgefahr oder eine akute schwerwiegende Gefahr für
die Gesundheit dritter Personen abzuwenden.
(7)
Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene
ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der untergebrachten
Person zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen
Eingriff verbunden ist.
(d)
In Anlehnung hierzu soll das Maßregelvollzugsgesetz in
Hessen in § 7a wie folgt neu gefasst werden:
§
7a Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
(.)
in Abs. 1 bis 5 wesentlich inhaltsgleich mit dem geplanten §
11 HUBG
(6)
Die Behandlung aufgrund einer Anordnung nach Abs. 2 bedarf der
vorherigen Genehmigung der Strafvollstreckungskammer oder des
einweisenden Gerichts.
ALTERNATIVER
ABS. 6: Die Behandlung aufgrund einer Anordnung nach Abs. 2
bedarf der vorherigen Genehmigung der Fachaufsicht. Gegen die
Anordnung kann nach § 109 der Strafprozessordnung gerichtliche
Entscheidung beantragt werden.
(7)
Liegt eine wirksame Patientenverfügung der zu behandelnden
untergebrachten Person vor, durch die die Behandlung ausgeschlossen
ist, ist die Patientenverfügung vorrangig. Dies gilt nicht
für den Fall des Abs. 1 Nr. 3, wenn die Behandlung dazu
dient, eine Lebensgefahr oder eine akute schwerwiegende Gefahr
für die Gesundheit dritter Personen abzuwenden.“
(e)
Der Entwurf des § 14a des PsychKG des Landes Schleswig-Holstein
lautet wie folgt :
§
14a Voraussetzungen medizinischer Behandlung
(1)
Die medizinische Behandlung eines einwilligungsfähigen
Untergebrachten ist zulässig, wenn sie von einer frei von
unzulässigem Druck, auf der Grundlage der gebotenen ärztlichen
Aufklärung, erteilten Einwilligung des Untergebrachten
gedeckt ist.
(2) In anderen Fällen
ist die medizinische Behandlung eines Untergebrachten nur zulässig,
wenn
1.
eine psychische Krankheit den Untergebrachten daran hindert,
die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen
einzusehen oder gemäß solcher Einsicht zu handeln
(Einwilligungsunfähigkeit),
2.
die Behandlung verspricht, dem Betroffenen ein Leben in
Freiheit zu ermöglichen,
3.
keine Aussicht besteht, dass eine weniger eingreifende Behandlung
dem Betroffenen ein Leben in Freiheit ermöglicht,
4.
der erwartbare Nutzen der Behandlung die damit verbundenen
Belastungen deutlich überwiegt,
5.
die Behandlung dem in einer Patientenverfügung dokumentierten
oder, wenn eine Patientenverfügung dazu nicht vorliegt,
dem mutmaßlichen Willen des Untergebrachten entspricht,
6.
eine den Verständnismöglichkeiten des Untergebrachten
entsprechende ärztliche Aufklärung über die
beabsichtige Behandlung und ihre Wirkungen erfolgt ist,
7.
ein ernsthafter Versuch unternommen worden ist, die auf
Vertrau-en gegründete Zustimmung des Untergebrachten
zu erreichen, falls dieser der Behandlung widerspricht,
8.
ein Arzt die beabsichtigte Behandlung in einem Behandlungsplan
niedergelegt hat (§ 12) und
9.
die Behandlung entsprechend der §§ 8-11 angeordnet
worden ist.
(3)
Eine Behandlung entspricht dem mutmaßlichen Willen des
Untergebrachten, wenn er der Maßnahme bei wiedererlangter
Einsichtsfähigkeit voraussichtlich zustimmen wird. Eine
Behandlung, die mit mehr als einem vernachlässigbaren Restrisiko
irreversibler Gesundheitsschäden verbunden ist, widerspricht
in der Regel dem mutmaßlichen Willen des Untergebrachten.
(4)
Eine Behandlung kann gleichzeitig mit der Unterbringung angeordnet
werden.
(5)
Die vorläufige Anordnung einer Behandlung nach Absatz 2
in Verbindung mit § 11 ist nur zulässig, wenn sie
erforderlich ist, um von dem untergebrachten Menschen eine nicht
anders abwendbare gegenwärtige Gefahr einer erheblichen
Schädigung seiner Gesundheit oder für sein Leben abzuwenden.
(6)
Behandlungsmaßnahmen nach Absatz 2 sind einschließlich
ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der maßgeblichen
Gründe und der Wirkungsüberwachung.
(f)
§ 5a MVollzG in der geplanten neuen Fassung
ist
inhaltsgleich mit § 14a PsychKG Schleswig-Holstein xxxi
3.
Eine kleine Rechtsphilologie der leges propositae
Im
2. Kapitel haben wir ohne Plagiatsabsicht die hier vor allem
traktierten Gesetzentwürfe in einer Art Zitatencollage
kommentarlos vorgestellt. Jede Abgeordnete und jeder Abgeordnete,
die wir vor allem ansprechen, soll sich zuerst und vor allem
selbst ein Gesetzesbild verschaffen. Wir verstehen unsere vor-
und nachgeschalteten Ausführungen und Belege als Lesehilfe,
mitnichten als Anleitung, eines jedenfalls untergründig
komplexen, voll von missverständlichen Angeln bestehenden
scheinglatten Textes. Deren bedarf man freilich. „Gesund“ wird
der Menschenverstand nur, wenn er die Lese-, Gesprächs-,
Beobachtungs- und Gedankenzeit erübrigt und sich im jeweiligen
spinnwebig versponnenen Problemloch mit genügend gedanklichem
Licht Einsichtshelle verschafft. Darum maßen wir uns auch
nicht an, an Ihrer Stelle zu lesen. Über hier brauchbare
Brillen aus langer Beschäftigung verfügend, wollen
wir nur auf etliche wichtige, leicht übersehbare Kleinigkeiten
entlang des ausgewählten Textes aufmerksam machen.
ad
a) Der Entwurf § 8 UBG Ba-Wü
(1)
Wohl gedacht und wohl beabsichtigt, dieser 1. Absatz, indes
durch und durch vormundlich – früher hätte man
gesagt, patriarchalisch – ausgedrückt. Die Patientin/der
Patient, deren beliebig inhaltlich füllbare „Anlasserkrankung“,
dafür „notwendig“ „behandelt“ werden soll, wird wie
unvermerkt von vornherein zum Objekt. Sie/Er wird in dieser
Hinsicht versachlicht.
(2)
Wie dem so ist, geht es von vornherein nur darum, dass die
schon „untergebrachte Person“ – über die
Prozedur und wenigstens ihre Mitentscheidung beim Unterbringen
erfährt man nichts – in etwas offenbar schon nahezu
Fertiges einwilligt. Immerhin soll sie aufgeklärt werden
mit dem freilich bestimmten Ziel, sie solle „der Behandlung“
zustimmen. Eine offenere Formulierung sucht man vergebens.
Immerhin ist die Person schon „untergebracht“,
sodass die Behandlung fast wie eine logische Folge aussieht.
(3)
Kaum stellt sich Unruhe ein, weil vorausgesetzte Prämissen
wie selbstverständlich erscheinen und keine transparente
Aufnahme- und Entscheidungsstruktur erkenntlich sind, kommt
schon der Zwangshammer aus dem Ärmel. Harmlos und ohne
den qualitativen Verhaltenssprung auch nur anzudeuten. Einem
selbstverständlichen Sach- als Personenzwang gleich,
werden im langen 3. Punkt nur ohne Erörterung die aus
der nicht diskutierten Zwangsprämisse folgenden, ihrerseits
argumentations- und nachweisdunkel bleibenden Kriterien
kriterienlos, sprich pauschal benannt. Unter der Voraussetzung
der Einwilligung, da zu bleiben und behandelt zu werden
– Scheunentore in deren Worthallen alles untergebracht werden
kann -, werden subkutan Zwangsgründe aufgereiht: krankheitsbedingt,
behandlungsbedürftig, Zwangsunterbringung, zugleich
einsichtsunfähig – eine Sequenz, in der jeder qualifizierende
Ausdruck für sich steht und zugleich wie in einer engen
Sequenz von den anderen Qualitäten bedingt wird, die
er seinerseits bedingt. Und diese Sequenz wird mit der Krone
geschlossen, die zwangsweise Behandlung diene „nachweislich“
(!?!) – ohne dass von Nachweisen irgend die Rede ist – einem
Kuddelmuddel als selbstverständlich und also evident
statuiertem Ziele. Als da sind: „eine Lebensgefahr“
abzuwenden (wer die Gefahr wohl erkennt und wertet? Gewiss
nicht der/die Behandelte); eine davon offenkundig und dunkel
zugleich unterschiedene „akute und schwerwiegende Gefahr
für die Gesundheit“ über die Person hinweg
abzuwehren (die Fragen warum, wer wie, was und vor allem
mit welchen Mitteln kehren im ungesungenen Refrain wieder);
wo aber solche Gefahren zwangsbewehrt sind, wächst
das Rettende „freier Selbstbestimmung“ auch im
praktizierten und dann zu lebenden Paradoxon. Und so geht
es unter 2. weiter. Jetzt sind die Gefahren für „dritte
Personen“ in unbegrenzter Skalierung an der Reihe,
potentiell die Menschheit in toto.
(4)
Wir halten ein. Die hier pseudogesetzesförmig mit einer
fahrlässigen Formulierung nach der anderen formulierte
Sache der Zwangsbehandlung ist für die so Behandelten
zu bitter erst, als dass man kabarettartig herausheben dürfte,
was in diesem Vorschlagstext eines in jeder Hinsicht unreifen
Gesetzes wachschlummert. Im (3) Absatz geht es mit atemlosem
Tempo über die spitzen Steine ungeklärter Behauptungen
mit mutmaßlich angestrebtem Placeboeffekt weiter.
Zunächst wird eher verheißen als verlangt – geschweige
denn in Wie aufgedeckt -, dass die Behandlung ihrem Ziel
entsprechen und vor allem erfolgreich ausfallen müsse,
ein ungedeckter und einseitig abzugeltender Vertrauensscheck
zuungunsten allein des zwangsbehandelten Schuldners ohne
eigene Anteile. Hinzugefügt wird im nächsten Satz,
die Behandlung, dürfe nur „als letztes Mittel“
eingesetzt werden. Wie sie dann wohl aussieht? Wer über
sie und ihren Erfolg an dem behandelten sub-jectum, der
unterworfenen Sachperson entscheidet? Usw.; usf..
Diese
Brise einer Rechtsphilologie müssen wir, vom Gesetzentwurf
„behandelt“, vorläufig abschließen. Sobald man die
Entwürfe der Gesetzestexte genauer liest – und genauer
lesen heißt, sie analytisch, sprich sie auf ihre Voraussetzungen
und Konsequenzen zu lesen, letztlich eingedenk des Maßstabs
in unserem Falle, was geschieht der behindert versehrten Bürgerin
und dem behindert versehrten Bürger, damit sie ein möglichst
gleiches, freies und selbstbestimmtes Leben führen können
-, also sobald man diese Entwürfe genauer liest und durch
sie hindurchblickt, könnte es so scheinen, als polemisiere
man. Das aber ist mitnichten unsere Absicht. Wir wollen nur
verhindern, soweit wir dies als sachverständige Bürger
tun können, dass Gesetzentwürfe, die ein Übermaß
an mangelhaft begründeten, zum Teil auch so nicht begründbaren
Regelungen den Repräsentierenden der Bürgerinnen und
Bürger und diesen selbst auftischen, nicht doch wenigstens
zeitweise rechtens werden. Sie formen nämlich im Ergebnis
Unrecht. Unrecht für alle psychisch Behinderten; Unrecht
selbst für die Bürgerinnen und Bürger. Sie täuschen
sie in ihrer zulässigen Hoffnung, Regeln zu erhalten, die
Umgangsformen mit psychisch Behinderten erlauben, die allen
Spaß bereiten in möglichst gesunden Lebensverhältnissen
zu leben ohne repressive Diskriminierungen Anderer und Andersartiger
unter uns.
4.
Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zur Zwangsbehandlung
Das
Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 12.10.2011, 2
BvR 633/11 xxxii,
§ 8 Absatz 2 Satz 2 des Unterbringungsgesetzes des Landes
Baden-Württemberg (UBG BW) als mit dem Grundrecht auf körperliche
Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG i. V. mit dem Grundrecht
auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar
und nichtig erklärt. Vorausgegangen war die Entscheidung
des BVerfG vom 23.03.2011, 2 BvR 882/09, die § 6 Abs. 1
Satz 2 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes über
den Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln (MVollzG RP),
der operative Eingriffe, Behandlungen und Untersuchungen an
einem im Maßregelvollzug Untergebrachten auch ohne dessen
Einwilligung zulässt, ebenfalls als mit Artikel 2 Abs.
2 Satz 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar und demzufolge
als nichtig erklärt xxxiii.
Bei
der medizinischen Zwangsbehandlung eines Patienten mit Neuroleptika,
handelt es sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts um
„einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff in das
Recht auf körperliche Unversehrtheit“ xxxiv.
Zwar
hat das Bundesverfassungsgericht nur zu den Regelungen der Länder
Rheinland-Pfalz xxxv,
Baden-Württemberg xxxvi
und Sachsen xxxvii
Stellung genommen. Jedoch dürften die bisherigen landesrechtlichen
Regelungen in Niedersachsen, Hessen und Schleswig-Holstein in
Konsequenz der zitierten Entscheidungen den aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
abzuleitenden „Anforderungen, denen ein zur medizinischen Zwangsbehandlung
eines Untergebrachten ermächtigendes Gesetz“ genügen
soll, nicht entsprechen.
Der
„scheinbare Konsens, mit Zwangsbehandlungen in der Praxis umzugehen“ xxxviii,
endete auch für die landesrechtlichen Vorschriften in den
Bundesländern Niedersachsen, Hessen und Schleswig-Holstein
mit den Entscheidungen des BVerfG.
Selbst
wenn in engem Rahmen von einer Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung
im Zuge einer Neuregelung der UBG/PsychKG und der MVollzG ausgegangen
würde, müssen in Konsequenz dieser verfassungsgerichtlichen
Postulate xxxix
eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein:
a.
Generell ist eine Zwangsbehandlung nur bei einwilligungsunfähigen
Patienten zulässig; ist der Betroffene in der Lage seinen
Willen kundzutun und Risiken und Nutzen der Behandlung abzuwägen,
ist eine Behandlung gegen den erklärten Willen eines Patienten
unzulässig.
Eine
vorab errichtete Patientenverfügung ist dem gleichgestellt,
soweit diese die Zwangsbehandlung untersagt:
Eine
Patientenverfügung manifestiert den früher geäußerten
freien Willen eines Patienten selbst dann, wenn dieser im Zuge
einer akuten Behandlung als nicht einwilligungsfähig gilt.
Der in der Verfügung geäußerte Wille ist maßgeblich.
Es handelt sich um Entscheidungen des Betroffenen über
die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte Untersuchungen
des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche
Eingriffe, die auf die darauffolgend konkret eingetretene Lebens-
und Behandlungssituation zutreffenxl.
Diese Entscheidung ist für Ärzte, Gerichte und auch
andere Beteiligte bindend xli.
b.
Zwangsbehandlung darf nur `ultima ratio´ sein. Jedweder
Zwangsbehandlung vorausgehen muss nach dem Wortlaut der verfassungsrechtlichen
Leitentscheidungen „der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand
und ohne Ausübung unzulässigen Drucks unternommene
Versuch, die auf Vertrauen gegründete Zustimmung des Untergebrachten
zu erreichen“.
c.
Eine Zwangsbehandlung muss vorab so rechtzeitig angekündigt
werden, dass der Betroffene vorher effektiven Rechtsschutz einholen
kann xlii.
d.
Die Maßnahme muss einen Heilungserfolg durch die Medikation
gewährleisten. Sie muss angemessen, geeignet und erforderlich
sein.
e.
Verboten ist eine Zwangsbehandlung ohne Ausnahmen, wenn diese
„mehr als mit einem vernachlässigbarem Restrisiko irreversibler
Gesundheitsschäden verbunden ist“ xliii.
f.
Es besteht Dokumentationspflicht hinsichtlich des vorangegangenen
Gespräches, des Zwangscharakters der Zwangsmaßnahme,
der Durchsetzungsweise der Zwangsmedikation, der Benennung maßgeblicher
Gründe der Maßnahme und Wirkungsüberwachung xliv.
g.
Die Zwangsmedikation muss vorab in jeder Hinsicht hinsichtlich
der Behandlung, ihrer Art, ihrer Dauer und der Dosierung der
Medikation konkretisiert werden xlv.
h.
In dem Genehmigungsbeschluss muss „die von dem Betreuten zu
duldende Behandlung so präzise wie möglich an(ge)geben“
werden, wozu die Angabe des Medikaments, Dosierung und Verabreichungshäufigkeit
und ein Ersatzmedikament gehörten, wenn das genehmigte
Medikament nicht vertragen werde 46.
i.
Anordnung und Überwachung der Zwangsbehandlung müssen
durch einen Arzt erfolgen.
j.
Die Notwendigkeit der Zwangsbehandlung muss einrichtungsextern
gutachterlich festgestellt werden. Vom Bundesverfassungsgericht
ist als besonderes Problem hervorgehoben, dass in Fachkreisen
bislang nicht hinreichend gesichert ist, dass krankheitsbedingt
fehlende Einsichtsfähigkeit Voraussetzung der Zwangsbehandlung
sein muss. So existieren in Deutschland, nachdem von der Deutschen
Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
(DGPPN) in den neunziger Jahren initiierte Versuche zur Etablierung
medizinischer Standards für Zwangsbehandlungen nicht zu
einem Ergebnis geführt haben, keine medizinischen Standards
für psychiatrische Zwangsbehandlungen, aus denen mit der
notwendigen Deutlichkeit hervorginge, dass Zwangsbehandlungen
mit dem Ziel, den Untergebrachten entlassungsfähig zu machen,
ausschließlich im Fall krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit
zulässig wären. Das dementsprechende Bewusstsein hierfür
hat sich in den medizinischen und juristischen Fachkreisen noch
nicht allgemein verbreitet xlvi.
Dass
dementsprechend ein Bewusstsein hierfür in den medizinischen
und juristischen Fachkreisen nicht vorhanden sei und eine Regelung,
wie in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 23.03.2011
festgestellt, unverzichtbar sei, zeige sich schon daran, dass
weder die Klinik noch die Fachgerichte sich in der der Entscheidung
zugrunde liegenden Fallkonstellation mit der Frage auch nur
ansatzweise auseinandergesetzt hätten, ob beim Patienten
eine krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Einsicht in die
Notwendigkeit der Behandlung bestanden habe. Die bloße
Diagnose einer Persönlichkeitsstörung jedenfalls beantworte
diese Frage nicht im Ansatz.
k.
Zwangsbehandlung sei schon wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
nicht erlaubt, um den Schutz Dritter vor künftigen Straftaten
oder auch Gefahren des Untergebrachten im Fall seiner Entlassung
zu gewährleisten. Dieser Schutz, so die entsprechende Entscheidung,
könne auch dadurch gewährleistet werden, dass der
Betreffende unbehandelt im Maßregelvollzug verbleibe.
Eine
Zwangsbehandlung mit Neuroleptika zum Zwecke der Gefahrenabwehr
ist seither ausgeschlossen.
l.
Das BVerfG hält die Voraussetzungen für eine bloße
Unvereinbarkeitserklärung mit begrenzter Weitergeltung
angesichts der Schwere der Grundrechtseingriffe bei einer Regelung
zur Zwangsbehandlung bei nicht verfassungskonformen Vorschriften
nicht für gegeben. Eine gesetzliche Grundlage für
eine Zwangsbehandlung kann daher auch künftig keine geltungserhaltende
Reduktion für sich beanspruchen, wenn eine gesetzliche
Regelung mangelhaft ist. Eine verfassungskonforme Auslegung
eines künftigen Regelwerkes ist ebenfalls ausgeschlossen;
dieses müsste vollumfänglich und in allen Punkten
den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes genügen.
Diese
hohen Hürden, die das Bundesverfassungsgericht 2011 für
ein künftiges nicht von ihm als zwingend notwendig erachtetes
Zwangsbehandlungsgesetz aufgestellt hat, zeigen die Intensität
und Schwere des Grundrechtseingriffes bei einer Zwangsbehandlung
auf.
5.
Die derzeitige Diskussion und der derzeitige Sachstand zur Zwangsbehandlung
Inzwischen
hat sich in der Rechtsprechung allgemein durchgesetzt, dass
die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 23.03.2011
(NJW 2011, 2113ff.) sowie vom 12.10.2011 (NJW 2011, 3571ff.)
allgemein für alle gesetzlichen Regelungen über Zwangsbehandlungen
Bedeutung haben und Zwangsbehandlungsgesetze generell den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen genügen
müssen xlvii.
Die
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes sind auch in der
Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur allgemein als
verbindlich für alle Regelwerke betreffend Zwangsmaßnahmen
bei der Gabe von Neuroleptika angenommen worden.
Zwar
hat das Bundesverfassungsgericht in einer weiteren Entscheidung
zur Zwangsbehandlung eines auf der Grundlage des Sächsischen
Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen
Krankheiten (SächsPsychKG) vom 10. Oktober 2007 eine Annahme
der Verfassungsbeschwerde zunächst mit dem tragenden Argument
abgelehnt, dass mit der Leitsatzentscheidung BVerfG NJW 2011,
2113 ff. die wesentlichen Anforderungen an die gesetzlichen
Grundlagen einer Zwangsbehandlung geklärt seien und von
den Fachgerichten zu erwarten stehe, dass sie diese bei künftigen
Entscheidungen, die die Zwangsbehandlung von Untergebrachten
betreffen, von Amts wegen im Auge behalten und entsprechend
verfahren. xlviii
In einer Entscheidung vom 20. Februar 2013 xlix
hat das Bundesverfassungsgericht dann aber auch eine Novellierung
des § 22 Abs. 1 S. 1 des sächsischen PsychKG für
verfassungswidrig und als gesetzliche Grundlage nicht geeignet
erklärt, weil das Gericht das gesetzliche Erfordernis der
Zustimmung des Betroffenen oder seines gesetzlichen Vertreters
nicht hinreichend konkretisiert sah l.
Für den Betreuer, so das Bundesverfassungsgericht, folge
aus der gesetzlichen Vertretungsmacht „nicht zugleich die Befugnis,
einen entgegenstehenden Willen des Betreuten durch Zwang zu
überwinden“ und eine „Zwangsbehandlung seitens Dritter
durch Einwilligung zu legitimieren“.
In
Konsequenz der verfassungsrechtlichen Vorgaben hatte das Landgericht
Potsdam li
in Anlehnung an die Entscheidung des Verfassungsgerichtes bereits
im Januar 2013 entschieden, dass § 40 Abs. 3 des BbgPsychKG
nicht als Rechtsgrundlage für eine Zwangsmedikation auf
Grundlage der dortigen landesgesetzlichen Regelung herangezogen
werden kann.
In
der öffentlichen Meinung wie auch in der Literatur wurden
die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zur Zwangsbehandlung
kontrovers diskutiert.
Das
Präsidium des Deutschen Richterbundes hatte sich dafür
ausgesprochen, eine klare gesetzliche Grundlage für die
medikamentöse Zwangsbehandlung von betreuten psychisch
Kranken zu schaffen.
Mit
Schreiben an das Bundesjustizministerium und an den Rechtsausschuss
des Bundestages wies der Richterbund auf den dringenden Handlungsbedarf
aus Sicht des Verbandes hin lii.
Die
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und
Nervenheilkunde (DGPPN) erkennt die im Zuge der beiden Entscheidungen
des Verfassungsgerichtes erfolgte Stärkung des Patientenwillens
und der Patientenautonomie an. Die DGPPN ordnet ein solches
unbeschränktes Selbstbestimmungsrecht allerdings ausschließlich
Patienten mit Patientenverfügung bzw. Vorsorgevollmacht
zu, die es erklärtermaßen zu respektieren gelte liii.
Die
beiden einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes
aber auch die sich anschließende Rechtsprechung des BGH
würden dem Interesse psychiatrischer Patienten wie der
Helfenden in der Psychiatrie nicht gerecht. Bei ärztlichen
Entscheidungen im Dilemma zwischen einer als Körperverletzung
gewerteten Zwangsbehandlung und unterlassener Hilfeleistung
fehle die Rechtssicherheit. liv.
Folge
sei, dass anstelle gut bewährter medikamentöser Therapie
im Zuge von Unterbringungen mechanische Sicherungsmaßnahmen,
etwa mittels Fixierung, erfolgen müssten. Beschäftigte
und Mitpatienten seien in psychiatrischen Kliniken „unzumutbaren
Risiken“ ausgesetzt. Die mit schweren psychischen Erkrankungen
einhergehenden Lasten würden vermehrt auf die Betroffenen
selbst und ihre Familien zurückfallen. In Deutschland bestehe
gegenwärtig die Gefahr, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen
von der Möglichkeit zur Wiedererlangung ihrer Selbstbestimmungsfähigkeit
und der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen bleiben lv.
Die
DGPPN begrüßt entsprechend die erfolgte Änderung
der derzeitigen Situation durch Novellierung vornehmlich des
§ 1906 BGB, da sie die gegenwärtig bestehende erhebliche
Rechtsunsicherheit aller Beteiligten zum Nachteil der betroffenen
Patienten und deren Angehörigen beende lvi.
Befürworter
einer Novellierung sehen den Charakter der Zwangsbehandlung
als „ultima ratio“, „da nach Berichten aus der Praxis in den
meisten Fällen bereits die Unterbringung dazu führe,
dass der Patient die Behandlung akzeptiere“. Die Verhältnismäßigkeit
könne durch verfahrensrechtliche Vorgaben (Verfahrenspfleger,
externe Sachverständige etc.) gewährleistet werden.
Gesehen
wird aber auch hier die generelle Gefahr, „dass die Zwangsbehandlung
außerhalb der Unterbringung nicht die ´ultima ratio´
ist, die sie von Verfassungs wegen sein müsse lvii.
Es wurde die verfassungsrechtlich aufgegebene Zäsur seitens
der DGPPN aber auch positiv erlebt. Der frühere Präsident
der DGPPN konstatiert dann auch summarisch: „Wir mussten uns
mehr anstrengen – und das war gut so“ lviii.
Die
Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonven-tion, die in
Berlin am Deutschen Institut für Menschenrechte angesiedelt
ist, sieht die Wiedereinführung von Regelungen zur Zwangsbehandlung
nach wie vor kritisch. Die Monitoring-Stelle bezweifelte, „ob
der Entwurf im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention
steht“ lix.
Es sei „eine historische Chance verpasst worden, aus den
Erfahrungen einer Psychiatrie ohne Zwang zu lernen und das System
der psychiatrischen Versorgung weiterzuentwickeln“ lx.
In
einer Stellungnahme der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention
im Deutschen Institut für Menschenrechte zur öffentlichen
Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestages vom Dezember 2012
wird hervorgehoben, das Konzept der „krankheitsbedingten Nichteinsichtsfähigkeit“
finde im Wortlaut der UN-Behinderten-rechtskonventionen selbst
keinen Halt.
Weder
der Wortlaut des Artikels 12 UN-BRK über die gleiche rechtliche
Handlungsfähigkeit noch die Auslegungspraxis des UN-BRK-Ausschusses
lasse derzeit den Schluss zu, dass die rechtliche Handlungsfähigkeit
auf Grund einer Behinderung eingeschränkt werden dürfe.
Im Rahmen der internationalen Verhandlungen zur Schaffung der
UN-BRK habe man sich bewusst dagegen entschieden, ein entsprechendes
Kriterium zur Einschränkung beziehungsweise zur Bestimmung
der Einschränkbarkeit aufzunehmen.
Die
UN-Behindertenrechtskonvention gehe davon aus, dass alle Menschen
mit Behinderungen „Rechts- und Handlungsfähigkeit“ genießen
(Artikel 12 Absatz 2 UN-BRK). In Verbindung mit dem Recht auf
Gesundheit (Artikel 25 UN-BRK) bedeute dies das Recht, in Fragen
individueller gesundheitlicher Angelegenheiten in allen Fällen
eine „freie und informierte Entscheidung“ über die eigenen
gesundheitlichen Belange treffen zu dürfen – insbesondere
darüber, ob und wenn ja, welche Therapie angewendet wird.
Die
im deutschen Verfassungsrecht anerkannte Figur der „Freiheit
zur Krankheit“ sei genau in diesem Kontext zu verorten; die
menschenrechtlichen Regelungen gehen wohl darüber hinaus.
In
Anbetracht des Interpretationsansatzes durch den UN-BRK-Ausschuss
werde die Anwendung von Zwang im Zusammenhang mit der Behandlung
von Menschen mit Behinderungen „immer ein Legitimationsproblem
haben“.
Die
zwangsweise Unterbringung und zwangsweise Behandlung von Menschen
mit Behinderungen stelle eine Reihe von menschenrechtlich verbrieften
Rechtsgewährleistungen in Frage.
Insbesondere
wenn Menschen auf Grund ihrer Behinderung oder in der Kombination
mit einem behinderungsrelevanten Merkmal eine stärkere
Einschränkung ihrer Rechte zugemutet werde, als Nichtbehinderten,
lasse dies eine Ungleichbehandlung erkennen, die nach Maßgabe
des Diskriminierungsverbots (Artikel 5 UN-BRK) schwerlich zu
rechtfertigen sei.
Darüber
hinaus sei die Einschätzung einer Nichteinsichtsfähigkeit
in eine Behandlung fachlich hochgradig instabil, weil handhabbare
Kriterien bislang nicht zu finden seien, zwischen Einsichtsfähigkeit
und Nichteinsichtsfähigkeit zu unterscheiden. Die Unsicherheiten
und Grauzonen könnten in Sinne einer einheitlichen Praxis
keinesfalls ausgeschlossen werden – sie sei vielmehr nicht zu
gewährleisten.
Nach
Artikel 12 UN-BRK bestehe aber die Verpflichtung, die Unterstützung
(„support“) für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten,
sie in die Situation zu bringen, selbst frei und informiert
zu entscheiden – die unterstützende Entscheidungsfindung
(„supported decision-making“). Diese anspruchsvolle Form der
Unterstützung im Sinne von Assistenz dürfe weder über
die gesetzliche Vertretung, noch über eine zwangsweise
durchgesetzte Entscheidung, die Dritte für eine betroffene
Person getroffen haben, ersetzt werden lxi.
Die
Monitoring-Stelle empfiehlt entsprechend, von Zwangsbehandlungsgesetzen
abzusehen und mittels einer parlamentarischen Enquete-Kommission
Maßnahmen für die notwendige menschenrechtsbasierte
Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung in Deutschland
vorzubereiten.
Der
Sonderberichterstatter über Folter des UN-Hochkommissariats
für Menschenrechte, Juan E. Méndez, erklärte
in der 22. Sitzung des „Human Rights Council“ am 4. März
2013 Zwangsbehandlung in der Psychiatrie zu grausamer, unmenschlicher
und erniedrigender Behandlung bzw. Folter. Er forderte, dass
alle Staaten ein Verbot aller medizinischen nicht einvernehmlichen
bzw. Zwangsbehandlungen verhängen sollten, einschließlich
nicht-einvernehmlicher Psychochirurgie, Elektroschocks und Verabreichung
bewusstseinsverändernder Drogen, sowohl in lang- wie kurzfristiger
Anwendung. Die Verpflichtung, erzwungene psychiatrische Behandlung
zu beenden, sei sofort zu verwirklichen und auch knappe finanzielle
Ressourcen könnten keinen Aufschub der Umsetzung rechtfertigen.lxii
Auch
ansonsten erfahren geplante Novellierungen der Zwangsbehandlungsgesetze
erhebliche Kritik. Die Kriterien seien „bevormundend und paternalistisch“
und „ignorierten das Selbstbestimmungsrecht“, sie „entwürdigten
den Patienten zum Objekt“. Genau das habe noch das Patientenverfügungsgesetz
verhindern wollen – und zwar nicht nur für Komapatienten
und Demenzkranke, sondern für die gesamte Gruppe der „Einsichtsunfähigen“,
so der frühere Bundesrichter Wolfgang Nešković.
Wenn der Patient seinen Willen aktuell aber nicht klar äußern
könne, müsse „auf dessen ausdrückliche Verfügung
oder seinen mutmaßlichen Willen zurückgegriffen“
werden lxiii.
Die
Kritik an geplanten Novellierungen stützt sich auf Verfassungsrecht,
das auch für den Einwilligungsunfähigen gelten solle.
Das Bundesverfassungsgericht habe Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG menschenrechtlich
zutreffend als Aktivrecht jeder Person ausgelegt: „Jeder hat
das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Art.
2 Abs. 2 Satz 2 GG laute konsequent: „Die Freiheit der Person
ist unverletzlich.“ Das bedeute, jeder erfahre sich als Person,
indem er über sich, das eigene Leben und die eigene Unversehrheit
zu allererst ihres/seines Körpers selbst entscheidet. Darum
habe das Verfassungsgericht zutreffend formuliert, es sei unzulässig,
stellvertretend, und sei es als Psychiater aus gesundheitlichen
oder anderen Gründen der Rehabilitation, eine Person zwangsweise
zu behandeln. Die Selbstbestimmung des Menschen schließe
alle kranken oder gesunden Befindlichkeiten ein.
Indem
das Bundesverfassungsgericht über die historisch herkömmliche
Begrenzung des Kerns der Menschenrechte als Abwehrrechte hinausgehe,
folge es der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen
von 2006. Sie sei auf Vorschlag der Bundesregierung im Dezember
2008 vom Deutschen Bundestag als Gesetz übernommen worden.
Die Behindertenrechtskonvention gehe sogar folgerichtig im Sinne
der Wirklichkeit des Menschen und seiner sozialen Bedingungen
darüber hinaus und verlange, dass die sozialen, technischen
und wissenschaftlichen Bedingungen zu schaffen seien, Behinderungen
zu überwinden oder zu relativieren. Damit die Behindertenrechtskonvention
nicht nur „deklamatorischen Lärm“ mache. Die Behinderten
würden ansonsten um ihre Grund- und Menschenrechte gebracht,
obwohl sie nominell gelten. lxiv.
Die „Freiheit zur Krankheit“, als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
und der allgemeinen Handlungsfreiheit werde durch die Entscheidungen
der Gerichte bekräftigt.
Der
Staat müsse es von jeher hinnehmen, schreibt Rinke 1988
in der Neuen Zeitschrift für Strafrecht, wenn der Bürger
fürsorgerische Leistungen eigenverantwortlich ablehne lxv.
Zudem
habe die Entscheidung wesentlich zu einer Rechtsklarheit beigetragen:
Das Verfassungsgericht sieht keine dem Fürsorgegedanken
des Staates ausArt. 20 Abs. 3 GG entspringende
Verpflichtung des Staates zu entsprechender Fürsorge.
Der
Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener hatte schon frühzeitig
gewarnt, dass die psychiatrische Behandlung mit Neuroleptika
lebensverkürzende Risiken in sich berge, die weitgehend
verharmlost werden lxvi.
Nur
in etwa zehn Prozent der Fälle, in denen Zwang angewendet
worden sei, sei er – nach Auffassung der daran Beteiligten –
erforderlich gewesen. Regelmäßig liege bei einer
Zwangsbehandlung keine Gefährdung des Patienten vor, sondern
die Umwelt sei von den betroffenen Patienten „genervt“, etwa
weil die Betroffenen den Fernseher nachts laut aufdrehen oder
sich sonst sozial inadäquat verhalten.
Die
Differenzierung zwischen „einsichtigen“ bzw. „uneinsichtigen“
Menschen diene dem Ziel, ein Mittel in die Hand zu bekommen,
mit dem sich bei Bedarf entrechten und Zwangsbehandlung legitimieren
lasse. Die Psychiatrie handle hier gegen den Willen der ohnehin
Entrechteten lxvii
und Stigmatisierten.
Die
Stellungnahme der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention
im Deutschen Institut für Menschenrechte anlässlich
der Öffentlichen Anhörung vom 10. Dezember 2012, im
Rahmen der 105. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen
Bundestages verweist neben den hohen verfassungsrechtlichen
Hürden auf beachtliche ethische Bedenken gegen Zwangsbehandlung
auch einwilligungsunfähiger Patienten. Diese Bedenken werden
durch den Bericht des Sonderberichterstatters über Folter
des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Juan E. Méndez,
verstärkt.
6.
Die geplante Novellierung des § 8 UBG Baden-Württemberg
im Vergleich
Die
Neufassung von § 8 UBG soll unter strengen Voraussetzungen
eine Zwangsmedikation von Personen rechtfertigen, die nach dem
Unterbringungsgesetz untergebracht sind.
Bei
der zu behandelnden Person müsste als Grundvoraussetzung
der Zwangsbehandlung nach § 8 UBG BW krankheitsbedingt
die Fähigkeit zur Einsicht in die Krankheit und deren Behandlungsbedürftigkeit
fehlen. Zusätzlich muss die Behandlung dazu dienen, eine
Gefahr für die Person abzuwenden oder der Person ein möglichst
selbstbestimmtes Leben in Freiheit zu ermöglichen. Fehlt
die Einwilligungsfähigkeit nicht, ist alleine der Patientenwille
maßgeblich. Insoweit sind die Gesetzesvorhaben wesentlich
inhaltsgleich mit § 14a PsychKG Schleswig-Holstein, §
8a MVollzG Niedersachsen und § 11 HUBG.
Lediglich
in gesetzlich normierten Ausnahmefällen – so die Motive
des Gesetzgebers – soll die Zwangsbehandlung auch dann möglich
sein, wenn von der betroffenen Person eine Gefahr für Dritte
ausgehe.
Wie
vom Bundesverfassungsgericht gefordert sei die Kontrolle des
Eingriffs durch Einschaltung einer neutralen Instanz vor Durchführung
der Maßnahme gewährleistet. Dies werde durch die
Einführung eines Richtervorbehalts sichergestellt.
Liegt
eine wirksame Patientenverfügung vor, geht diese vor. Etwas
anderes gilt nur in Fällen der Drittgefährdung.
a.
Keine Zwangsbehandlung ohne Einwilligung des einwilligungsfähigen
Patienten, § 8 Abs. 2 UBG
Die
Zwangsmedikation mit Neuroleptika wird durch den Neuentwurf
des § 8 Abs. 2 UBG, dies hat die geplanten Neuregelung
mit sämtlichen sonstigen Neuregelungen aller Gesetzgebungsvorhaben
der Länder gemeinsam (vgl. 14 a Abs. 1 UBG Schleswig-Holstein,
11 Abs. 3 HUBG), als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit
des Patienten anerkannt und von der Einwilligung eines öffentlich-rechtlich
untergebrachten einsichtsfähigen Patienten abhängig
gemacht.
Es
gibt keine Duldungspflichten der Zwangsbehandlung mehr. Grundsätzlich
sollen alle Eingriffe einer voraus erklärten Einwilligung
des Patienten unterliegen. Zudem wird die Behandlung mit Neuroleptika
von einer vorausgegangenen umfassenden Aufklärung des Patienten
abhängig gemacht.
Der
Patient hat damit künftig das Recht, über das „ob“
und „wie“ seiner Behandlung nach entsprechender Aufklärung
durch seine Einwilligung zu entscheiden lxviii
sofern er zu einer Einwilligung in der Lage ist.
Dies
entspricht dem Selbstbestimmungsrecht, wie es an sich im Zuge
einer medizinischen Behandlung jenseits psychiatrischer Behandlung
üblich ist.
b.
Zwangsbehandlung, wenn der untergebrachte Patient nicht einwilligungsfähig
ist oder konkrete Gefahr für Leib und Leben des untergebrachten
Patienten droht
Lediglich,
dann, wenn und soweit mangelnde Einsichtsfähigkeit bzw.
mangelnden Einwilligungsfähigkeit des Patienten vorliegt,
soll die geplante Regelung des § 8 Abs. 3 Ziffern 1, 2
1. Halbsatz UBG BW – Zwangsbehandlung bei mangelnder Einsichtsfähigkeit
– zum Tragen kommen.
Auch
hier sind die weiteren Regelungen der einzelnen Bundesländer
im wesentlichen inhaltsgleich, § 14a Abs. 2 Ziffer 1 PsychKG
SH, 5a Abs. 2 Ziffer 1 MVollzG SH; § 11 Abs. 3 HUBG.
Bestimmte
Formen von Zwangsbehandlungen von nicht einwilligungsfähigen,
psychisch kranken Patienten sollten nach der Novelle des §
8 Abs. 3 Ziffer 1 UBG BW zulässig sein und als Eingriffsnorm
in eine solche Zwangsbehandlung dienen.
Gleiches
soll nach § 8 Abs. 3 Ziffer 2 UBG gelten, wenn und soweit
eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten
Person drohe oder aber Lebensgefahr abzuwenden sei.
Zur
Begründung wird ausgeführt, auch der Schutz Dritter
vor Delinquenz, die ein untergebrachter Patient „mit paranoiden
Zustandsbildern“ im Fall seiner unbehandelten Entlassung begehen
könnte, sei Rechtfertigung für eine Zwangsbehandlung lxix.
Die beabsichtigte Neuregelung betreffe damit alle Menschen in
der öffentlich-rechtlichen Unterbringung. Zum Drittschutz,
so die Gesetzesbegründung „besteht eine Behandlungsmöglichkeit
auch bei Vorliegen von Einwilligungsfähigkeit der untergebrachten
Person. ln diesem Fall gehe es „nicht um widerstreitende Interessen
der Patientin oder des Patienten“ (Selbstbestimmungsrecht und
Recht auf körperliche Integrität), sondern „um Interessen
Dritter“.
Problematisch
ist bereits die Definition und die Feststellung der „Einwilligungsunfähigkeit“.
Die
Differenzierung zwischen einem einwilligungsfähigen und
einem nicht einwilligungsfähigen Patienten begegnet grundsätzlichen
Bedenken schon deswegen, weil kein Grund ersichtlich ist, der
es rechtfertigen soll, dass ein einwilligungsunfähiger
Patient, der seinen Willen kundtun kann, anders behandelt wird
als der, dem eine Einwilligungsfähigkeit zuerkannt wird.
Die
Regelung zielt auch nach den Feststellungen des Deutschen Institutes
für Menschenrechte darauf ab, sich über das Kriterium
der Einwilligungsunfähigkeit „über den natürlichen
Willen der betroffenen Person hinwegsetzen zu können und
an die Stelle der persönlichen Entscheidung die Entscheidung
Dritter zu setzen – eine so genannte ersetzende Entscheidungsfindung
(„substituted decision-making“)“.
Ergänzend
wird dort ausgeführt: „Im Lichte der aktuellen menschenrechtlichen
Diskussion, wie sie auch in Studien des UN-Hochkommissariats
für Menschenrechte (UN Doc. A/HRC/10/48 vom 26. Januar
2009) und in der Auslegungspraxis des UN-Fachausschusses für
die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Zusammenhang der
gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen Ausdruck
findet, ist der Ansatz, wonach eine psychiatrische Behandlung
ohne freie und informierte Zustimmung der betroffenen Person,
allein legitimiert über die Entscheidung Dritter vorgenommen
werden soll“, menschenrechtlich in Frage zu stellen lxx.
Das
Bundesverfassungsgericht hat zur Frage der Einwilligungsfähigkeit
ausgeführt:
„In
Deutschland existieren, nachdem von der Deutschen Gesellschaft
für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
in den neunziger Jahren initiierte Versuche zur Etablierung
medizinischer Standards für Zwangsbehandlungen nicht zu
einem Ergebnis geführt haben (vgl. Steinert, in: Ketelsen/Schulz/Zechert,
Seelische Krise und Aggressivität, 2004, S. 44 <47>),
keine medizinischen Standards für psychiatrische Zwangsbehandlungen,
aus denen mit der notwendigen Deutlichkeit hervorginge, dass
Zwangsbehandlungen mit dem Ziel, den Untergebrachten entlassungsfähig
zu machen, ausschließlich im Fall krankheitsbedingter
Einsichtsunfähigkeit zulässig sind. Dass dementsprechend
ein Bewusstsein hierfür in den medizinischen und juristischen
Fachkreisen noch nicht allgemein verbreitet und eine gesetzliche
Regelung, wie im Beschluss des Senats vom 23. März 2011
festgestellt, unverzichtbar ist, illustriert nicht zuletzt der
vorliegende Fall, in dem weder die Klinik noch die Fachgerichte
sich mit der Frage, ob beim Beschwerdeführer eine krankheitsbedingte
Unfähigkeit zur Einsicht in die Notwendigkeit der Behandlung
besteht, auch nur ansatzweise auseinandergesetzt haben. Die
bloße Feststellung einer Persönlichkeitsstörung
beantwortet diese Frage nicht.“ lxxi
Der
Begriff der Einwilligungsunfähigkeit im UBG des Landes
Baden-Württemberg wie auch in allen anderen Regelungswerken
der Länder zur geplanten Zwangsbehandlung ist folglich
schon deshalb problematisch, weil er in Ermangelung von Standards,
als unbestimmter Rechtsbegriff gelten muss und als solcher wegen
der Eingriffsintensität den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes
ebenso wenig genügen wird wie in der Vorentscheidung der
Begriff der „Regeln der ärztlichen Kunst“ lxxii.
Erst
jüngst hat das Bundesverfassungsgericht zu § 22 SächsPsychKG
in einem weiteren Nichtigkeitsbeschluss vom Februar 2013 zu
entsprechenden Regelungswerken der Länder ausgeführt:
„Dass
§ 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG auf die Regeln der
ärztlichen Kunst verweist, ändert daran nichts. Unabhängig
von der Frage, ob dieser Verweis überhaupt hinreichend
deutlich eine umfassende Bindung an die Regeln der ärztlichen
Kunst statuiert, liegt in einer solchen Bindung keine hinreichend
deutliche gesetzliche Begrenzung der Möglichkeit der Zwangsbehandlung
auf Fälle der fehlenden Einsichtsfähigkeit.“ lxxiii
Ohne
die Schaffung von Grundvoraussetzungen und Standards wie auch
von der Monitoringstelle gefordert, besteht demzufolge konkrete
Gefahr einer Subjektivierung dieses Begriffes der Einwilligungsunfähigkeit
je nach Gutdünken des jeweiligen Arztes oder Gutachters.
So
führt auch die DGPPN aus:
„Als
wenig praxisgerecht erscheint dagegen die Forderung, dass unbeteiligte
Sachverständige, die nicht in die Behandlung einbezogen
und nicht in der behandelnden Klinik tätig sind, in dem
rechtlichen Verfahren gutachterlich tätig werden sollen.
(.) Erschwerend kommt der Mangel an kompetenten, externen
Gutachtern dazu.“ (Hervorh. d. d. Autoren)lxxiv.
Damit wird zu Recht die Gutachterkompetenz bei der Einschätzung
einer Einwilligungsunfähigkeit, die immerhin über
das „ob und wie“ eines erheblichen Eingriffes entscheidet, in
Frage gestellt.
Der
Begriff der Einwilligungsunfähigkeit ist ein unbestimmter
und definitionsbedürftiger Rechtsbegriff, der zur Begründung
einer Zwangsbehandlung ohne hinreichende, bislang nicht gegebenen
Standards nicht ausreichen wird, einen Grundrechtseingriff wie
den der Zwangsbehandlung zu rechtfertigen.
Die
Einschätzung einer Nichteinsichtsfähigkeit in eine
Behandlung ist demnach fachlich hochgradig instabil, weil handhabbare
Kriterien bislang nicht zu finden sind, zwischen Einsichtsfähigkeit
und Nichteinsichtsfähigkeit zu unterscheiden.
c.
Die Ultima-Ratio- Funktion der Zwangsbehandlung und deren Verhältnismäßigkeit
Das
BVerfG hat zwar einem »fürsorglichen Paternalismus«
eine Absage erteilt, räumt aber trotzdem der Zwangsbehandlung
in einer konkreten Abwägung der Interessen eine Ultima-Ratio-Funktion
ein lxxv.
Die
Kriterien mögen in § 8 UBG n.F. in Baden-Württemberg
ebenso wie in den insoweit im Wesentlichen inhaltsgleichen §
14a PsychKG SH, § 5a MVollzG SH; § 11 HUBG soweit
erfüllt sein, als konstatiert wird, dass eine weniger eingreifende
Behandlung aussichtslos sein müsse sowie ohne Rücksicht
auf die Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen der ernsthafte
Versuch vorausgegangen sein müsse, seine auf Vertrauen
basierende Zustimmung zu erreichen.
Bereits
die weitere Voraussetzung einer Abwägung zugunsten der
Behandlungsoption, dass „ein deutlich feststellbares Überwiegen
des Nutzens“ der Behandlung prognostiziert werden könne,
woran es regelmäßig fehle, „wenn die Behandlung mit
mehr als einem vernachlässigbaren Restrisiko irreversibler
Gesundheitsschäden verbunden ist“, ist allerdings nur im
Zuge einer allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung
in den landesrechtlichen Vorschriften wie auch in § 8 UBG
BW normiert. lxxvi
Die
„tatsächliche oder vorgebliche Zielrichtung der Zwangsbehandlung,
die „Heilung“ oder „Besserung“ des Betroffenen“, lässt
aber „den Eingriffscharakter nicht entfallen.“ Im Gegenteil
kann nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts eine zwangsweise
„Heilung“ von Psychiatriepatienten, die dem „Geschehen hilflos
und ohnmächtig ausgeliefert“ sind und die eine „Zwangsinvasion“
„besonders intensiv empfinden“ die Stärke des Eingriffs
sogar noch erhöhen. Dies gelte besonders im Hinblick auf
die im Rahmen der Zwangsbehandlung verabreichten Medikamente,
namentlich Psychopharmaka, die teils lebensbedrohliche Nebenwirkungen
haben können und „auf die Veränderung seelischer Abläufe
gerichtet“ sind lxxvii.
Ärztliche
Behandlung ist, so man den Leitsatzentscheidungen des BGH folgt,
als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG
grundsätzlich nur mit Einwilligung des Patienten zulässig;
auch ein medizinisch indizierter, den Regeln der ärztlichen
Kunst entsprechend durchgeführter Eingriff in die körperliche
Integrität des Patienten ist rechtswidrig und erfüllt
den Tatbestand der Körperverletzung, es sei denn, eine
wirksame Einwilligung des Patienten liegt vor.
Dies
muss besonders im Hinblick auf die im Rahmen der Zwangsbehandlung
verabreichten umstrittenen Medikamente, namentlich Psychopharmaka,
gelten, die teils lebensbedrohliche Nebenwirkungen haben können lxxviii.
Ihre Verabreichung gegen den natürlichen Willen des Betroffenen
berührt nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung
unabhängig davon, ob sie mit körperlichem Zwang durchgesetzt
wird, „in besonderem Maße den Kern der Persönlichkeit“ lxxix.
§
8 UBG n.F. nimmt hier gerade nicht explizit auf das Verbot einer
Zwangsbehandlung, wenn diese „mehr als mit einem vernachlässigbarem
Restrisiko irreversibler Gesundheitsschäden verbunden ist“lxxx,
Bezug.
Lediglich
§ 14a Absatz 3 PsychKG Schleswig-Holstein und § 5a
MVollzG Schleswig-Holstein enthalten eine gesetzlich verankertes
Entscheidungskriterium der Verfassungsgerichtsrechtsprechung,
wonach eine mit einem mehr als vernachlässigbaren Restrisiko
irreversibler Gesundheitsschäden verbundene Behandlung
in der Regel dem mutmaßlichen Willen des Untergebrachten
widerspricht.
Dabei
ist durch das Verfassungsgericht anerkannt, dass bei der Medikamentierung
mit Psychopharmaka, die „auf die Veränderung seelischer
Abläufe gerichtet“ sind, stets ein Risiko erheblicher Gesundheitsschäden
durch Nebenwirkungen lxxxi
besteht. Dieser Umstand erscheint nicht nur in Schleswig-Holstein
zur Hervorhebung des „ultima-ratio“-Charakters der Zwangsbehandlung
unumgänglich.
d.
Die geplante Regelung des § 8 Abs. 3 Ziffer 2 2.Halbsatz
UBG – Zwangsbehandlung bei Drittgefährdung
Die
Neuregelung des § 8 UBG enthält in dessen Absatz 3
Ziffer 2, 2. Halbsatz eine Regelung zur Zwangsbehandlung bei
Drittgefährdung.
Auf
Selbstgefährdungstatbestände ohne Bezug auf Rechtsgüter
Dritter hin sind lediglich § 14a Abs. 5 PsychKG Schleswig-Holstein
und § 5a Abs. 5 MVollzG Schleswig-Holstein formuliert.
Das
Bundesverfassungsgericht hat hierzu in seinem Beschluss vom
23.03.2012 ausgeführt:
„Als
rechtfertigender Belang kommt insoweit allerdings nicht der
gebotene Schutz Dritter vor den Straftaten in Betracht, die
der Untergebrachte im Fall seiner Entlassung begehen könnte.
Dieser Schutz kann auch dadurch gewährleistet werden, dass
der Untergebrachte unbehandelt im Maßregelvollzug verbleibt.
Er rechtfertigt daher keinen Behandlungszwang gegenüber
einem Untergebrachten, denn dessen Weigerung, sich behandeln
zu lassen, ist nicht der Sicherheit der Allgemeinheit vor schweren
Straftaten, sondern seiner Entlassungsperspektive abträglich„.
Zwar
nimmt die Entscheidung nur auf freiheitsentziehende Maßnahmen
des Maßregelvollzuges Bezug, aufgrund des gleichen Normzweckes
einer möglichen Eingriffsnorm und einer gleichen Interessenlage
(Freiheitsentzug bei Drittgefährdung) ist die Bezugnahme
auf Fremdgefährung bei der Legitimation von Zwangsbehandlung
aber nach dem eindeutigen Wortlaut der verfassungsrechtlichen
Entscheidung vom März 2011 unzweifelhaft abzulehnen. Auch
hier gilt, dass der Patient mit der Behandlungsverweigerung
seine Entlassung möglicherweise verzögert, effektiver
Schutz aber gleichwohl gewährleistet ist.
Zwangseingriffe
in Körper und Geist zählen zu den intensivsten Grundrechtseingriffen
und sind seit jeher verfassungsrechtlich und rechtspolitisch
umstritten. Dies gilt erst recht, wenn der Betroffene öffentlich-rechtlich
untergebracht ist.
Soweit
ausnahmsweise eine Befugnis des Staates, den Einzelnen „vor
sich selbst in Schutz zu nehmen“, anzuerkennen ist, eröffnet
dies keine „Vernunfthoheit“ staatlicher Organe über den
Grundrechtsträger dergestalt, dass dessen Wille beispielsweise
auch zur Inanspruchnahme von Alternativmedizin allein deshalb
beiseitegelegt werden darf, weil von durchschnittlichen Präferenzen
abgewichen wird und insoweit sein Wille unvernünftig erscheint.
Als
rechtfertigender Belang für Zwangsbehandlung kommt nicht
der Schutz Dritter in Betracht. Dieser Schutz kann auch dadurch
gewährleistet werden, dass der Untergebrachte unbehandelt
geschlossen untergebracht verbleibt. Er rechtfertigt daher keinen
Behandlungszwang gegenüber einem Untergebrachten. Dessen
Weigerung, sich behandeln zu lassen, ist nicht der Sicherheit
der Allgemeinheit vor schweren Straftaten, sondern seiner Entlassungsperspektive
abträglich.
Die
entsprechenden Regelungen dürften von der Rechtsprechung
des Verfassungsgerichtes nicht gedeckt sein.
e.
Die Aufklärungs- und Dokumentationspflichten der Zwangsbehandlung
und die Verhältnismäßigkeit
Nach
den verfassungsrechtlichen Postulaten lxxxii
besteht Dokmentationspflicht hinsichtlich des vorangegangenen
Gespräches, der Kennzeichnung des Zwangscharakters der
Zwangsmaßnahme und ihrer möglichen Folgen, der Durchsetzungsweise
der Zwangsmedikation, der Benennung maßgeblicher Gründe
der Maßnahme und der Wirkungsüberwachung. Diesen
Anforderungen muss die beabsichtigte Maßnahme genügen.
Sämtliche
Gesetzesvorhaben der Länder entsprechen diesen Formalien
als Postulate des Bundesverfassungsgerichtes.
f.
Regelung zur Patientenverfügung – Fehlende Regelungen zur
Vorsorgevollmacht
Die
Regelungen zur Patientenverfügung sämtlicher Gesetzesvorhaben
der Länder tragen dem Selbstbestimmungsrecht Rechnung.
Durch § 8 Abs. 6 UBG BW, § 14a Abs. 2 Ziffer 5 PsychKG
Schleswig-Holstein, § 5a Abs. 2 Ziffer 5 MVollzG Schleswig-Holstein,
§ 11 Abs. 6 HUBG, § 7a Abs. 7 MVollzG Hessen, §
8b Abs. 2 MVollzG Niedersachsen soll klargestellt werden, dass
für eine Behandlung in erster Linie der tatsächliche
Wille der untergebrachten Person entscheidend ist. Voraussetzung
ist das Vorliegen einer wirksamen Patientenverfügung.
Die
Regelungen erfolgen in Beachtung des aus § 1901a Abs. 1
Satz 1 BGB resultierenden Selbstbestimmungsrechtes eines Patienten
bei Errichtung einer Patientenverfügung. Das Recht auf
Selbstbestimmung und die personale Würde des Patienten
(Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) gebieten es, jedem Patienten gegenüber
einem Arzt und Krankenhaus grundsätzlich einen Anspruch
auf Ablehnung von Diagnosestellungen und ärztlichen Behandlungen
einzuräumen. Dem Willens des Patienten ist aber unbedingt
Vorrang zu gewähren. Er ist nicht auf Behandlungssituationen
ohne Gefahr in Verzug wie in § 11 Abs. 6 HUBG, § 7a
Abs. 7 MVollzG Hessen zu beschränken. Dies würde sonst
nicht den Vorgaben des Verfassungsgerichtes entsprechen, die
ein generelles Zwangsbehandlungsverbot bei Einwilligungsfähigkeit
bzw. antezipierter Willensbekundung im Zustand der Einwilligungsfähigkeit
bedeuten.
Dem
eindeutigen gesetzgeberischen Willen, wie er mit der Neuschaffung
des § 1901a Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommt, werden
die landesgesetzlichen Vorhaben ansonsten gerecht.
Es
wird im Regelungswerk aber insgesamt die Option einer Vorsorgevollmacht
auch hinsichtlich Inhalt und Tragweite ausgeblendet. Etwaige
Einwilligungen nehmen allenfalls auf den „gesetzlichen Vertreter“
und damit auf den Betreuer eines Patienten Bezug.
Eine
rechtliche Betreuung kann durch eine Vorsorgevollmacht institutionell
ersetzt werden. Dies wird in den Gesetzesvorhaben häufig
nicht mit der gebotenen Deutlichkeit hervorgehoben.
7.
Die geplante Novellierung der §§ 3, 8 ff. Niedersächsisches
Maßregelvollzugsgesetz im Vergleich
Die
Neufassung der §§ 3, 8 ff. Niedersächsisches
Maßregelvollzugsgesetz soll unter strengen Voraussetzungen
eine Zwangsmedikation im Maßregelvollzug untergebrachter
Menschen rechtfertigen. Ähnliche Regelungen enthalten die
Vorhaben zur Änderung der Maßregelvollzugsgesetze
der Länder Schleswig-Holstein im dortigen § 5a MVollzG
und Hessen im dortigen § 7a MVollzG.
Die
gesetzlich zu verankernden zusätzlich zu prüfenden
materiellen Erfordernisse und die verfahrensrechtlichen Sicherungen
bedeuten nach Willen der Landesgesetzgeber, einen Schutz dahingehend,
dass eine medikamentöse Zwangsbehandlung tatsächlich
nur als letztes Mittel erfolgen könne.
Bei
der zu behandelnden Person muss krankheitsbedingt die Fähigkeit
zur Einsicht in die Krankheit und deren Behandlungsbedürftigkeit
fehlen. Zusätzlich müsse die Behandlung dazu dienen,
eine Gefahr für die Person abzuwenden oder der Person ein
möglichst selbstbestimmtes Leben in Freiheit zu ermöglichen.
a.
§ 8 MVollzG Niedersachsen – Behandlungsvorgaben des Gesetzgebers
§
8 Abs. 1 MVollzG Niedersachsen n.F. normiert anders als andere
Landesgesetze (allenfalls noch ansatzweise § 5a Abs. 4
MVollzG SH) das Verbot einer Behandlung, die den Kernbereich
der Persönlichkeit verändert, wie nunmehr seit 2011
auch durch das Bundesverfassungsgericht explizit anerkannt lxxxiii.
Die
Medikamentierung mit Psychopharmaka ist regelmäßig
„auf die Veränderung seelischer Abläufe gerichtet“
und impliziert ebenso regelmäßig das Risiko erheblicher
Gesundheitsschäden durch Nebenwirkungen.
Bereits
hier offenbart sich ein generelles Problem von Maßregelpatienten:
„diese werden auch nach erfolgter Behandlung mit Psychopharmaka
nicht entlassungsfähig und selbst wenn, oft nicht entlassen“.
Vielmehr häufen sich die „Fälle lebenslanger Unterbringung“
auch bei den behandelten Patienten und auch jene Fälle
eines behandlungsbedingten Suizids. „Die Nebenwirkungen der
Psychopharmaka bringen oft eine physische Zerstörung, Depressionen
und Suizidgedanken mit sich“ lxxxiv.
Zudem
wird die Behandlung mit Neuroleptika von einer vorausgegangenen
umfassenden Aufklärung des Patienten abhängig gemacht.
Ziel dieser Aufklärung soll allerdings die Zustimmung des
Patienten in die Behandlung sein. § 8 Abs. 2 MVollzG n.F.
normiert insoweit ebenso wie § 5a Abs. 2 Ziffer 5-7 MVollzG
SH, §7a Abs. 2 Ziff. 2 MVollzG Hessen, die gesetzliche
Berufspflicht des Arztes zur Aufklärung über Notwendigkeit,
Art, Dauer, Risiken und Umfang der Behandlung in angemessener
Weise. Hintergrund sind Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes,
wonach auch dann ein ernsthaftes Aufklärungsgespräch
mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von
Druck zu führen ist, wenn der Untergebrachte zwar gesprächsfähig
ist, aber Inhalt und Bedeutung der Aufklärung intellektuell
nicht erfassen könne lxxxv.
Durchgehend wird hier auch vom Bundesverfassungsgericht unterstellt,
die Ärztinnen und Ärzte seien in der Lage, entsprechend
präzise aufzuklären. Die gegebenen Unsicherheiten
gerade sorgsamer und penibler Berufsvertreterinnen und – vertreter
wird in pauschalen Wohlverhaltensformeln a la „in angemessener
Weise“, „ersthaft“ u. ä. m. verborgen. Das erscheint angesichts
der grundrechtlichen Verletzungen, die jeder Zwang mit sich
bringt., nicht in einem angemessenen Verhältnis zu stehen.
Zwangseingriffe hier, nur im Lichtdunkel vermutete und, wohl
gemerkt angesichts des Stands der psychiatrischen Kunst nur
vermutbare Heileffekte bzw. ausgeschlossene negative Fortwirkungen
dort.
Entsprechend
den Vorgaben des Verfassungsgerichtes sollte hier konsequenterweise
eine Dokumentationspflicht des Arztes auch und gerade zur Aufklärung
des Patienten normiert werden. Insoweit ist den Leitsätzen
der Entscheidung des Verfassungsgerichtes zu entnehmen, dass
es „Zur Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes und
der Verhältnismäßigkeit“ „geboten ist, gegen
den Willen des Untergebrachten ergriffene Behandlungsmaßnahmen
eingehend zu dokumentieren“ .lxxxvi
b.
Keine Zwangsbehandlung ohne Einwilligung des einwilligungsfähigen
Patienten, § 8 a MVollzG Niedersachsen, § 5a Abs.
1 MVollzG Schleswig-Holstein, § 7a Abs. 3 MVollzG Hessen
Die
Zwangsmedikation mit Neuroleptika wird nunmehr durch den Neuentwurf
des § 8 a MVollzG Niedersachsen, § 5a Abs. 1 MVollzG
Schleswig-Holstein, § 7a Abs. 3 MVollzG Hessen als Eingriff
in die körperliche Unversehrtheit erkannt und der Einwilligung
eines nach § 63 StGB oder § 64 StGB untergebrachten
Patienten unterstellt. Es gibt keine Duldungspflichten der Zwangsbehandlung
mehr, grundsätzlich sollen alle Eingriffe einer voraus
erklärten Einwilligung des Patienten unterliegen.
Entsprechend
den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichtes, dass die
„medizinische Zwangsbehandlung eines Untergebrachten […] in
schwerwiegender Weise in [das] Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2
Satz 1“, d.h. in die körperliche Unversehrtheit, eingreift,
kommt eine Behandlung mit Neuroleptika bei einem untergebrachten
Patienten gegen dessen Willen nicht mehr in Betracht.
Für
die medizinische Behandlung eines Menschen gilt generell, dass
der Patient selbst entscheidet, ob er ärztliche Hilfe in
Anspruch nimmt oder aber diese anlehnt, unabhängig davon,
ob diese Vorgabe an den Arzt aus medizinischer Sicht vernünftig
erscheint oder nicht lxxxvii.
Der
Patient hat künftig auch im Maßregelvollzug das Recht,
über das „ob“ und „wie“ seiner Behandlung nach entsprechender
Aufklärung durch seine Einwilligung oder Ablehnung bzw.
informierte Zustimmung (informed consent) zu entscheiden lxxxviii
sofern er zu einer Einwilligung in der Lage ist.
c.
Zulässigkeit der Zwangsbehandlung, wenn der untergebrachte
Patient nicht einwilligungsfähig ist oder konkrete Gefahr
für Leib und Leben des untergebrachten Patienten droht
Bestimmte
Formen von Zwangsbehandlungen von nicht einwilligungsfähigen,
psychisch kranken Patienten sollten nach der Novelle der Maßregelvollzugsgesetze
zulässig sein und als Eingriffsnorm in eine solche Zwangsbehandlung
dienen.
Gleiches
soll gelten, wenn und soweit eine schwerwiegende Gefahr für
die Gesundheit der untergebrachten Person, Dritte oder aber
Lebensgefahr abgewendet werden soll.
Zur
Begründung wird ausgeführt, auch der Schutz Dritter
vor Delinquenz sei in akuten Fällen Rechtfertigung für
eine Zwangsbehandlung lxxxix.
Soweit medizinische Zwangsbehandlung dem Ziel diene, den Untergebrachten
entlassungsfähig zu machen, dürfe dessen krankheitsbedingte
Einsichtsunfähigkeit die Behandlung nicht generell verhindern;
ausschlaggebend sei, ob der Untergebrachte bei Bestehen seiner
Einwilligungsfähigkeit der Behandlung zugestimmt hätte.
Hierfür maßgebliches Auslegungskriterium sei neben
dessen natürlichem Willen auch dessen Wunsch nach Freiheit.
Problematisch
ist bereits, wie ausgeführt, die Einordnung des Begriffes
der Einwilligungsunfähigkeit.
Der
Begriff der Einwilligungsunfähigkeit ist bereits deshalb
problematisch, weil er in Ermangelung von Standards, als unbestimmter
Rechtsbegriff gelten muss und als solcher wegen der Eingriffsintensität
den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes ebenso wenig
genügen wird wie in der Vorentscheidung der Begriff der
„Regeln der ärztlichen Kunst“ xc.
Ohne die Schaffung von Grundvoraussetzungen und Standards wie
auch von der Monitoringstelle gefordert, besteht konkrete Gefahr
einer Subjektivierung dieses Begriffes der Einwilligungsunfähigkeit
je nach Gutdünken des jeweiligen Arztes oder Gutachters.
In Sachen sog. Einwilligungsunfähigkeit sind zwei zusätzliche
Problembereiche zu beachten, die erkennen lassen, warum die
jeweils behauptete Einwilligungsunfähigkeit nicht als Zugangsklausel
zur Zwangsbehandlung dienen kann. Zum einen gibt es eine Reihe
außersprachlicher Äußerungen auch sonst möglicherweise
dementer Patienten, die erkennen lassen, wie es um den Willen
des Patienten steht. Im Zweifelsfalle gälte konsequent,
für Zwangsverzicht zu optieren, wenn die Heilbehandlung
im Zentrum steht. Im Zusammenhang unterstellter Fremdgefährdung
gibt es zum einen Mittel und Wege, ein solche räumlich,
zeitlich, durch veränderte Umgangsformen zu vermeiden.
Zum anderen ist zu beachten, dass die immer zeitknapper werdende
Ökonomie der Zeit, an zahlreichen Fällen im Kontext
der Altenpflege und durch Umgangsfehler mitgeschaffener Demenz
zu demonstrieren, dazu beiträgt, mangelnde Einsichtsfähigkeit
psychisch Behinderter festzustellen. Zeitmangel und andere unzureichende
Behandlungsformen werden auf behinderte projiziert und als deren
Einsichtsmängel behauptet.
Das
dementsprechende Bewusstsein hierfür ist in den medizinischen
und juristischen Fachkreisen auch noch gar nicht allgemein verbreitet,
zumal sich vor 2011 weder Fachärzte noch Gerichte sich
mit der Frage des Vorliegens einer krankheitsbedingten Unfähigkeit
„auch nur ansatzweise auseinandergesetzt“ xci
haben. Die bloße Feststellung einer psychischen Störung
jedenfalls wäre kein taugliches Kriterium. Ein psychiatrisches
Gutachten ist eine wissenschaftliche Leistung, die darin besteht,
aufgrund wissenschaftlich anerkannter Methoden und Kriterien
nach feststehenden Regeln der Gewinnung und Interpretation von
Daten zu konkreten Fragestellungen Aussagen zu machen xcii.
Gibt es keine entsprechenden allgemeingültigen Kriterien
und Standards, kann es auch kein hinreichend fundiertes Sachverständigengutachten
geben, dass der hohen Bedeutung des Eingriffs in das Grundrecht
des Patienten auf Selbstbestimmung genügen und damit als
eingriffsrechtfertigend dienen könnte.
Ein
Gutachten zur Zwangsbehandlung müsste den Kriterien der
Wissenschaftlichkeit entsprechen. Das ist unmöglich, wenn
es zur Festlegung der maßgeblichen Anknüpfungstatsachen
und Beurteilungskriterien keine verlässlichen und validen
medizinischen Standards gibt xciii.
Ein Gutachten dürfte sich nur auf solche Untersuchungsmethoden
stützen, die allgemein und zweifelsfrei als richtig und
zuverlässig anerkannt sind xciv.
Lediglich ganzheitlich-intuitive Erkenntnisakte bzw. „Bauchgefühle“,
auf die in der Praxis viele Gutachten gründen, sind nicht
überprüfbar und folglich unzulässig xcv.
Sind
die Anknüpfungstatsachen wie Standards noch ungeklärt
oder streitig, wird der Gesetzgeber zuerst die zugrundezulegenden
Standards und Anknüpfungstatsachen zu ermitteln haben,
bevor ein derart weitreichender Grundrechtseingriff lizensiert
wird. So hat der BGH entschieden, dass sich ein Sachverständiger
ausschließlich methodischer Mittel zu bedienen hat, die
dem jeweils aktuell wissenschaftlichen Kenntnisstand gerecht
werden xcvi.
Selbst
im Bereich der Fahreignungsbegutachtung sind die Einhaltung
von Standards auf dem Verordnungswege verbindlich vorgeschrieben,
soweit eine medizinisch-psychologische Untersuchung gem. §
11 FeV (Fahrerlaubnisverordnung) angeordnet wird xcvii.
Dann müssen bei der Frage einer Zwangsbehandlung in Ermangelung
allgemeingültiger medizinischer Standards ungleich höhere
Anforderungen an einen Grundrechtseingriff gestellt werden.
Die
Maßregelvollzugsgesetze der Länder schaffen in den
§§ 5a MVollzG SH, 8b MVollzG Niedersachsen und 7a
MVollzG Hessen zwar Eingriffstatbestände für die Zwangsbehandlung
vermeintlich Einwilligungsunfähiger. Sie lassen aber Standards
und Vorgaben zum Begriff der Einwilligungsfähigkeit bereits
im Ansatz missen. Eine solche verbindliche Standardisierung
des Begriffes der Einwilligungsunfähigkeit wäre aber
Grundvoraussetzung für einen denkbaren derartigen Eingriff
in Grundrechte eines betroffenen Patienten: Bereits 1981 hat
das Bundesverfassungsgericht xcviii
zwischen juristischen Krankheitsbegriffen einerseits und medizinischen
Krankheitsbegriffen andererseits differenziert. Selbst eine
juristisch kriterienhart gehämmerte Krankheitsdefinition
könnte für eine richterliche Entscheidung „nur Ausgangspunkte
darstellen“. Das Bundesverfassungsgericht hat demgemäß
statuiert:
„Wenn
auch der zur Entscheidung über die Anordnung einer Freiheitsentziehung
berufene Richter die Frage, ob eine Person an einer Geisteskrankheit
leidet und welche Auswirkungen und Bedeutung dies hat, regelmäßig
nur mit Hilfe eines ärztlichen Sachverständigen beurteilen
kann, so ist er doch nicht verpflichtet, die Begriffswelt des
Arztes zu übernehmen, die teils weiter, teils aber auch
enger sein kann als die juristischen Begriffe, die bei der Gesetzesanwendung
allein zugrunde zu legen sind.“
Schon
die psychiatrischen Vorleistungen in Sachen Krankheit stehen
aber letztlich im Ermessen eines behandelnden Arztes. Die in
der Psychiatrie verwendeten Krankheitsbegriffe gleichen nicht
selten “ bloßen Leerformeln“xcix.
„Im
Hinblick auf die bereits geschilderten bestehenden Prognoseunsicherheiten“
und „methodischen Schwierigkeiten“ muss zudem als weitere Voraussetzung
der Zwangsbehandlung „ein deutlich feststellbares Überwiegen
des Nutzens gefordert“ c
werden. Das berücksichtigen die Maßregelvollzugsgesetzesinitiativen
allerdings nicht. Ein solches Nutzenkalkül dürfte
dazuhin nicht primär utilitaristisch erfolgen. Dagegen
stehen die in diesem Falle harten grund- und menschenrechtlichen
Normen.
Mit
einer Zwangsmedikamentierung ist nicht ihrerseits zwingend die
Wiedererlangung der Freiheit verbunden. Deshalb wäre eine
Zwangsbehandlung schon mangels hinreichender Geeignetheit unverhältnismäßig ci;
viele Maßregelpatienten werden auch nach erfolgter Behandlung
mit Psychopharmaka nicht entlassungsfähig. Fälle lebenslanger
Unterbringung mit dem Charakter einer Sicherungsverwahrung sind
nicht selten. Eine Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug
kann künftig entsprechend der gesetzgeberischen Wertung
nicht erfolgen, wenn und soweit dem Sicherungscharakter einer
Maßregel nach § 63 StGB der Vorrang zukommt, zumal
für diesen Fall kein erwartbarer Nutzen erkennbar ist und
der Maßregelvollzug ohnehin den Charakter einer Sicherungsverwahrung
annimmt. cii
d.
Die geplante Regelung des § 8 b Abs. 5, 6 und 7 MVollzG
Niedersachsen, § 7a Abs. 6 MVollzG Hessen – Zwangsbehandlung
nach unabhängiger sachverständiger Beratung bzw. fachaufsichtsrechtlicher
Behördenentscheidung
Eine
Zwangsbehandlung soll nach dem Gesetzesvorhaben in Niedersachsen
nur mit Zustimmung eines vom Fachministerium unter Beteiligung
der Ärztekammer berufenen Sachverständigenrates und
nach Einholung eines von der unterbringenden Einrichtung unabhängigen
Sachverständigengutachtens zweier Sachverständiger,
in Hessen gegebenenfalls nach fachaufsichtsrechtlicher Entscheidung
zulässig sein.
Deren
Aufgabe soll vor allem in Niedersachsen die Prüfung des
Vorliegens einer auf den Fall anwendbaren Patientenverfügung
sein. Zusätzlich obliegt ihr die Prüfung einer vorausgegangenen
ernsthaften und ohne Ausübung von Druck versuchten Einholung
der Zustimmung zur Behandlung, die letztlich nicht gegeben wurde.
Zudem
soll geprüft werden,
ob
die Behandlung mit dem Ziel vorgenommen wird, die tatsächlichen
Voraussetzungen freier Selbstbestimmung des Untergebrachten
zu schaffen oder wiederherzustellen,
ob
die Behandlung geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen,
ob
weniger eingreifende Behandlungen aussichtslos wären,
ob
der Nutzen der Behandlung die mit ihr einhergehenden Belastungen
und denmöglichen Schaden bei Nichtbehandlung deutlich
überwiegt.
Alle
diese Ziele wären den wissenschaftlich methodischen Einwänden
auszusetzen, die oben kurz skizziert worden sind. Durchgehend
dürfte aufgrund des gegenwärtigen internationalen,
methodisch getesteten Kennntnisstands ein anderes „non olet“,
sprich: es geht nicht, gelten: Es ist gegenwärtig nicht
mit nötiger Sicherheit zu beurteilen. Sonst mögliche
Pragmatik ist angesichts des geradezu radikalen Menschengewichts
von Zwang nicht zulässig.
Gestützt
wird das Vorhaben durch die Entscheidung BVerfG NJW 2011, 2113
die einer solchen Kontrollinstanz – der Einschaltung eines externen
Dritten – entscheidende objektive Schutzwirkung beimisst.
Die
Gesetzesvorhaben Hessen und Niedersachsen sprechen sich anders
als andere Vorhaben wie z.B. das zu § 8 UBG BW oder §
5a MVollzG Schleswig-Holstein und § 14a PsychKG Schleswig-Holstein,
die eindeutig bei allen Maßnahmen einen Richtervorbehalt
postulieren, für eine Entscheidungskompetenz eines eigens
hierfür geschaffenen (ausschließlich ärztlichen)
Kontrollgremiums aus (Hessen nur alternativ im Vorhaben zu §
7a Abs. 6 MVollzG). Eine Bestellung eines Beistandes für
den Betroffenen, etwa wie die obligatorische Bestellung eines
Verfahrenspflegers bei einer Zwangsbehandlung nach § 1906
BGB, ist nicht vorgesehen. Vorgesehen ist eine obligatorische
Anhörung des Betroffenen, Betreuers bzw. des Bevollmächtigten
zu einer geplanten Maßnahme (§ 8b Abs. 6 MVollzG
Niedersachsen n.F.).
Gerichtlicher
Rechtsschutz soll ausschließlich über §§
109, 138 StVollzG durch die Strafvollstreckungskammern (Regelfall
des Erwachsenenstrafrechts) durch Rechtsmittel gegen die Anordnung
der Zwangsbehandlung erreicht werden (§ 8b Abs. 7 MVollzG
Niedersachsen n.F.).
Das
Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum MVollzG
des Bundeslandes Rheinland-Pfalz in 2011 ciii
dem Gesetzgeber nur insoweit formelle Grenzen vorgegeben, als
das Verfahren grundsätzlich geeignet sein muss, eine möglichst
zuverlässige Grundlage für eine am Selbstbestimmungsrecht
des betroffenen Patienten orientierte Entscheidung zu erlangen.
Die
Regelungen unterscheiden sich von den bislang verfassungsgerichtlich
geprüften und beanstandeten landesrechtlichen Regelungen
dadurch, dass es ihnen zufolge grundsätzlich entweder die
Einwilligung des Betroffenen selbst oder die seines gesetzlichen
Vertreters oder, wenn es an einem gesetzlichen Vertreter fehlt,
weil ein Betreuer nicht bestellt wurde, eine anderweitigen Genehmigung
der Maßnahme der Zwangsbehandlung bedarf.
Dies
führt jedoch weder dazu anzunehmen, verfassungsrechtliche
Anforderungen an die gesetzlichen Grundlagen einer Zwangsbehandlung
zur Erreichung des Vollzugsziels seien nicht anzuwenden. Noch
hat es zur Folge, die Feststellung sei möglich, diese Anforderungen
wären erfüllt. Die Bestimmungen beschränken die
medizinische Zwangsbehandlung des Untergebrachten zur Erreichung
des Vollzugsziels nicht, wie verfassungsrechtlich geboten, auf
den Fall seiner krankheitsbedingt fehlenden Einsichtsfähigkeit.
Es werden vielmehr in § 7a MVollzG Hessen wie auch §
8 ff MVollzG Niedersachsen auch andere Gefahrtatbestände
genannt civ.
Während
teilweise bei Zwangsbehandlungen die richterliche Genehmigung
gegenüber dem Betreuer oder Bevollmächtigten auf dessen
Antrag als verfassungsrechtlich stets erforderlich gesehen wird cv,
kann das Maßregelvollzugsrecht nach Ansicht des Verfassungsgerichtes
zwar „die Einschaltung eines Betreuers durch entsprechend extensive
Einwilligungserfordernisse solcher Art, dass bei fehlender Zustimmung
des Betroffenen selbst die ersetzende Einwilligung eines Betreuers
erforderlich und ausreichend ist, sicherstellen“ cvi.
Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, „die Rechte des Betroffenen
gerade durch eine richterliche Genehmigung des Antrags eines
Betreuers oder Vorsorgebevollmächtigten zu schützen“,
soll nach dieser Ansicht aber gerade nicht bestehen, zumal für
den Betroffenen der Eingriff, der in einer medizinischen Zwangsbehandlung
liegt, nicht dadurch weniger belastend wird, dass ein Betreuer
ihr zugestimmt hat.
Für
den Betreuer folgt aus der gesetzlichen Vertretungsmacht zudem
nicht die Befugnis, einen entgegenstehenden Willen des Betreuten
durch Zwang zu überwinden beziehungsweise eine Zwangsbehandlung
seitens Dritter durch Einwilligung zu legitimieren cvii.
Die
entscheidende „objektive Schutzwirkung, die in der Einschaltung
eines externen Dritten“ begründet sei, kann nach Verfassungsgerichtsrechtsprechung
durch Richtervorbehalt oder durch Beteiligung einer anderen
neutralen Stelle wahrgenommen werden (explizit genannt werden
Ombudsperson, sonstige Behörde). cviii
Die
konkrete Ausgestaltung der Art und Weise einer möglichen
Vorgehensweise, die sichern könnte, dass vor einer Zwangsbehandlung,
die dazu dienen soll, das Vollzugsziel zu erreichen, eine von
der Unterbringungseinrichtung unabhängigte Prüfung
des Vorgangs erfolgt, unterfällt nach Ansicht des Verfassungsgerichtes
letztlich der Kompetenz des Gesetzgebers.
Vor
diesem Hintergrund werfen die Novellen des § 8b Abs. 5
MVollzG Niedersachsen und § 7a Abs. 6 MVollzG Hessen mit
Schaffung eines Sachverständigengremiums durch das Fachministerium
bzw. dessen Weisung zur Beurteilung wesentlicher Vorgaben des
Verfassungsgerichtes bei künftiger Zwangsbehandlung (Patientenverfügung,
ärztliche Aufklärung, Willensermittlung) die Frage
auf, ob im Anordnungsverfahren der Richtervorbehalt hinreichend
gewährleistet sei. Sind mit der Wahl eines externen Sachverständigengremiums
in § 8b Abs. 5 MVollzG Niedersachsen die Voraussetzungen
der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 33 Abs. 4 GG und Art.
60 Satz 1 NV erfüllt?
Effektiver
Rechtsschutz wird nicht durch die Regelungen des § 8 b
Abs. 6 MVollzG Niedersachsen zur Anhörung des Betroffenen,
des Betreuers bzw. des Bevollmächtigten gewährt, zumal
sich die vorgesehenen Regelungen darüber ausschweigen,
welche Rolle gerade der Beteiligung des Betreuers bzw. Bevollmächtigten
in dem Verfahren zur Anordnung der Zwangsbehandlung zukomme.
Hinreichender
Rechtsschutz und die Gewährleistung des Richtervorbehaltes
wäre im MVollzG Hessen in § 7a Abs. 6 unstreitig gewahrt,
soweit „die Behandlung aufgrund einer Anordnung nach Abs. 2“
„der vorherigen Genehmigung der Strafvollstreckungskammer oder
des einweisenden Gerichts“ bedürfe.
Bei
der Alternative, die Behandlung aufgrund einer Anordnung nach
Abs. 2 von der vorherigen Genehmigung der Fachaufsicht abhängig
zu machen, wogegen nach § 109 der Strafprozessordnung gerichtliche
Entscheidung beantragt werden kann, dürften ähnliche
Bedenken wie zu § 8b Abs. 7 Satz 4 MVollzG Niedersachsen
bestehen:
Der
Landesgesetzgeber Niedersachsen sieht die Voraussetzungen des
Richtervorbehaltes wegen der Regelung des § 8b Abs. 7 Satz
4 MVollzG Niedersachsen als gegeben an. Danach kann der Betroffene
vor Vollzug der Zwangsbehandlung die zuständige Strafvollstreckungskammer
(Regelfall Erwachsenenstrafrecht) anrufen und um Rechssschutz
ersuchen.
Der
Richtervorbehalt – auch der einfachgesetzliche – zielt auf eine
vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten
gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige
und neutrale Instanz cix.
Der
einfachrechtliche Richtervorbehalt gehört indes nicht zwingend
zum Bereich des rechtsstaatlich Erforderlichen cx.
Er beruht regelmäßig auf einer Entscheidung des Gesetzgebers
und nicht auf einer zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgabe cxi.
Bedenken
bestehen aber dahingehend, dass die hohe Bedeutung des Grundrechts
auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1
GG verfassungsrechtlich gebieten könne, die medikamentöse
Zwangsbehandlung dürfe nur durch einen Richter angeordnet
werden.
Dies
ist für die Regelung des § 1906 BGB allgemein anerkannt.
Auch und gerade wegen der Potenzierung der Rechtsgutverletzungen
bei Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug kann nichts anderes
gelten. Zum einen wird dem Patienten zeitlich unbefristet nach
Gutdünken der Ärzte seine Freiheit vollständig
entzogen, indem er in einer geschlossenen Station untergebracht
wird. Zum anderen wird er zwangsweise durch massive Eingriffe
in die körperliche Unversehrtheit veranlasst, Psychopharmaka
mit potentiell und nicht kalkulabel wesensveränderndem
Einfluss und starken Nebenwirkungen einzunehmen.
Das
Grundgesetz enthält ausdrückliche Richtervorbehalte
indes nur für Wohnungsdurchsuchungen, Art. 13 Abs. 2 GG
und Freiheitsentziehungen, Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, nicht
aber für Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit,
Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 3 GG.
Die
hohe Bedeutung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit
aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG könnte verfassungsrechtlich
gleichwohl einen Richtervorbehalt gebieten. Durch eine Zwangsbehandlung
kann das Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden
kann cxii.
Sie stellt außerdem einen so schwerwiegenden Eingriff
dar, dass aus dem Gesichtspunkt der Eingriffstiefe heraus ein
Richtervorbehalt geboten sein dürfte cxiii.
Die
Zwangsbehandlung mit Neuroleptika ist ein gravierender Eingriff
in die körperliche Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 Abs.
2 GG. Auch, wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst
vorgenommen würde, erlaubte der gegenwärtige Stand
der Wissenschaft keine zuverlässigen Aussagen über
die Wirkungsweise und die Nebenwirkungen typischer wie atypischer
Neuroleptika. Sie haben „häufig objektiv erkennbare und
subjektiv wahrgenommene Nebenwirkungen insbesondere auf Motorik
und vegetative Funktionen“. Lebensbedrohliche Nebenwirkungen
sind möglich, auch wenn sie eher selten vorkommen (<1/10.000)
(≥1/1.000 bis <1/100). Bei Clozapin werden lebensbedrohliche
Konsequenzen sogar häufiger festgestellt (bis etwa 1/100) cxiv.
In besonderen Fällen kann die neuroleptische Medikation
auch zu ernsten Komplikationen führen.
Die
verfassungsgerichtliche Rechtsprechung sieht „einen besonders
schweren Grundrechtseingriff im Hinblick auf die Wirkungen dieser
Medikamente“. Solch bedrohlichen Wirkungen seien „schon im Hinblick
auf die nicht auszuschließende Möglichkeit schwerer,
irreversibler und lebensbedrohlicher Nebenwirkungen“ anzunehmen.
Psychopharmaka seien „auf die Veränderung seelischer Abläufe“
gerichtet. Ihre Verabreichung gegen den natürlichen Willen
des Betroffenen berühre daher „in besonderem Maße
den Kern der Persönlichkeit“ cxv.
Der
BGH hat bereits in 2000 in seiner weitreichenden Leitsatzentscheidung
zur ambulanten Zwangsbehandlung cxvi
darauf hingewiesen, ein Betroffener sähe in einer Zwangsmedikation
„subjektiv möglicherweise (eine) stärkere Belastung“,
als in der eher äußerlich bleibenden Unterbringung.
Die
gesetzlich geregelte Unterbringung im Maßregelvollzug
kumuliere gerade für den Fall der Zwangsbehandlung mit
Neuroleptika Freiheitsentziehung einerseits durch den Eingriff
in die körperliche Unversehrtheit des Maßregelvollzugspatienten
andererseits. Damit aber dürfte der Gesetzesentwurf des
Landes Niedersachsen nicht geeignet sein, verfassungsrechtliche
Bedenken durch Einräumen einer Option nach § 109 StVollzG
zu entkräften.
Eine
nachträgliche Prüfung der Rechtmäßigkeit
der Anordnung der Zwangsbehandlung im Rahmen des § 109
StVollzG durch richterliche Prüfung, ob die maßgeblichen
Anordnungen in objektiv vertretbarer Weise, also ohne Verstoß
gegen das allgemeine Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG,
ausgelegt und angewandt worden sind, dürfte nicht ausreichen.
Dieser
Befund gilt unabhängig davon, ob hinsichtlich der Prüfung
nach § 109 StVollzG auf den Zweck der Zwangsmaßnahme
oder deren Dauer abgestellt wird. Insoweit dürfte bereits
die eigentliche Anordnung der Zwangsbehandlung gegen den Willen
dem Richtervorbehalt, den auch das Verfassungsgericht in seiner
Entscheidung zum MVollzG RP explizit benennt cxvii,
unterfallen. Der Richtervorbehalt steht nicht zur Verfügung
des Gesetzgebers cxviii.
Er ist unmittelbar geltendes Recht. Damit kann dieser nicht
erst im „Bedarfsfalle“ der tatbestandlichen Voraussetzungen
des § 109 StVollzG angewandt werden. Er muss vielmehr unmittelbare
Voraussetzung eines solchen Grundrechtseingriffs sein. Die betreffende
Maßnahme bedarf darum stets der richterlichen und nicht
nur der ärztlichen -sachverständigen – Entscheidung.
Auch
die Fachgerichte wären zwar für den Fall, dass Anordnungen
zur Zwangsbehandlung in einem gerichtlichen Verfahren zu treffen
wären, mangels eigener Sachkunde zur Frage der Erforderlichkeit,
der Effektivität, der Verhältnismäßigkeit
und der Einwilligungsfähigkeit gehalten, ein fachpsychiatrisches
Sachverständigengutachten einzuholen. In einem solchen
Verfahren wäre die Beiziehung eines anstaltsexternen Sachverständigen
generell geboten. Anders als im vorgesehenen Verfahren sei die
Verfahrensleitung aber dem Richter vorbehalten.
Zu
den wichtigsten Grundsätzen in einem Verfahren betreffend
Anordnungen nach § 1906 BGB gehört, dass der Richter
sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen verschaffe.
Damit würde er in den Stand gesetzt, ein klares und umfassendes
Bild von der Persönlichkeit des Betroffenen zu gewinnen
und seiner Pflicht zu genügen, das psychiatrische Gutachten
richterlich zu kontrollieren cxix.
Wenn
auch der zur Entscheidung berufene Richter die Frage notwendiger
Behandlung nur mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen
beurteilen könne, so sei er nicht verpflichtet, die Begriffswelt
des Arztes bzw. Psychiaters zu übernehmen. Im Gegenteil!
Die teils weiter, teils aber auch enger bestimmten „rechtseigensinnigen“
juristischen Begriffe sind bei der Gesetzesanwendung allein
zugrunde zu legen.
Da
juristische Begriffe leichtere Formen von Gefahrtatbeständen
ausklammern, kann zwischen juristischer und medizinischer Definition
eine Differenz bestehen.
Die
Vorschrift des § 8 Abs. 5 MVollzG Niedersachsen könnte
zudem, indem sie auch privat niedergelassenen Sachverständigen
durch das Fachministerium Entscheidungskompetenzen zum Maßregelvollzug
delegieren, gegen den Grundsatz des Funktionsvorbehalts (Artt.
60 Satz 1 NV, 33 Abs. 4 GG) verstoßen. Ihm gemäß
ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige
Aufgabe regelmäßig Angehörigen des öffentlichen
Dienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und
Treueverhältnis stehen, d. h. Beamten, vorbehalten. Gegebenenfalls
müsste hier ein besonderes Rechtsverhältnis cxx
begründet werden.
Generell
ist allerdings die Notwendigkeit der Bestellung eines externen
Gutachters bei der Beurteilung von Fragen im Zusammenhang mit
den Voraussetzungen und der Notwendigkeit der Zwangsbehandlung
bei allen Gesetzesvorhaben zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug
gegeben. Dem sind die Gesetzgeber nur unzureichend nachgekommen.
Zudem
müsste die Frage der Einwilligungsfähigkeit wie ausgeführt
nach zu schaffenden medizinischen Standards beurteilt werden.
Auch darf die zwangsweise Medikamentengabe jedenfalls nach dem
Gesetzesvorhaben erklärtermaßen nur als ihrerseits
mehrwertige, beliebigkeits-gefährdete „ultima ratio“ am
Ende von erfolglosen freiwilligen Behandlungsversuchen stehen
(vgl. zusätzlich die Schlussbmerkungen).
Der
Verfassungsgeber hat in Art. 19 Abs. 4 GG nicht die Kontrolle
der objektiven Rechtmäßigkeit staatlicher Maßnahmen,
sondern den individuellen Rechtsschutz der Bürger in den
Mittelpunkt richterlicher Arbeit gestellt.
Subjektiver
Rechtsschutz wird mit Art. 8 Abs. 5 Nds. MVollzG und in §
7a Abs. 6 Hess. MVollzG in der 2. Alternative wegen des fehlenden
Richtervorbehaltes nicht hinreichend gewährleistet. Die
Anordnung der Maßnahme der Zwangsbehandlung müsste
durch einen Richter und nicht durch ein ministeriell eingesetztes
Gremium von Sachverständigen bzw. die Einrichtung selbst
erfolgen.
Hierfür
sprechen auch praktikable Gründe, zumal einer einwilligungsunfähigen
und damit ohnehin insoweit beeinträchtigten Person kein
Beistand (etwa in der Form eines Verfahrenspflegers) bestellt
ist. Ein solcher könnte gegebenenfalls für den Betroffenen
einer Zwangsmaßnahme Rechtsmittel wie den eines Antrags
nach § 109 StVollzG vornehmen.
e.
Die geplante Regelung des § 8 c Nds. MVollzG, § 7a
Abs. 1 Hess. MVollzG – Zwangsbehandlung bei Drittgefährdung
Die
Neuregelung des § 8c Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz
und des § 7a Abs. 1 Hessisches Maßregelvollzugsgesetz
enthält jeweils eine Regelung zur Zwangsbehandlung bei
Drittgefährdung.
Das
Bundesverfassungsgericht hat hierzu in seinem Beschluss vom
23.03.2012 cxxi
ausgeführt:
„Als
rechtfertigender Belang kommt insoweit allerdings nicht der
gebotene Schutz Dritter vor den Straftaten in Betracht, die
der Untergebrachte im Fall seiner Entlassung begehen könnte.
Dieser Schutz kann auch dadurch gewährleistet werden, dass
der Untergebrachte unbehandelt im Maßregelvollzug verbleibt.
Er rechtfertigt daher keinen Behandlungszwang gegenüber
einem Untergebrachten, denn dessen Weigerung, sich behandeln
zu lassen, ist nicht der Sicherheit der Allgemeinheit vor schweren
Straftaten, sondern seiner Entlassungsperspektive abträglich“.
Zwar
nimmt die Entscheidung nur auf freiheitsentziehende Maßnahmen
des Maßregelvollzuges Bezug. Aufgrund des gleichen Normzweckes
einer möglichen Eingriffsnorm und einer gleichen Interessenlage
(Freiheitsentzug bei Drittgefährdung) ist die Bezugnahme
auf Fremdgefährdung bei der Legitimation von Zwangsbehandlung
aber nach dem eindeutigen Wortlaut der verfassungsrechtlichen
Entscheidung vom März 2011 unzweifelhaft abzulehnen. Auch
hier gilt, dass der Patient mit der Behandlungsverweigerung
seine Entlassung möglicherweise verzögert, effektiver
Schutz aber gleichwohl gewährleistet ist.
Zwangseingriffe
in Körper und Geist zählen zu den intensivsten Grundrechtseingriffen.
Sie sind seit jeher verfassungsrechtlich und rechtspolitisch
umstritten. Dies gilt erst recht, wenn der Betroffene öffentlichrechtlich
untergebracht ist cxxii.
Soweit
ausnahmsweise eine Befugnis des Staates, den Einzelnen „vor
sich selbst in Schutz zu nehmen“cxxiii,
anzuerkennen ist, eröffnet dies keine „Vernunfthoheit“
staatlicher Organe über den Grundrechtsträger dergestalt,
dass dessen Wille beispielsweise auch zur Inanspruchnahme von
Alternativmedizin allein deshalb missachtet werden dürfte,
weil er von durchschnittlichen Präferenzen abweiche und
deshalb sein Wille unvernünftig erscheine cxxiv.
8.
Zusammenfassung:
Gesetzentwürfe
– ein normativer Zuckerguss, keine angemessenen Normierungen
gegebener Probleme
Knappes
Resultat verbunden mit dem Hinweis auf weitgehend übersehene,
aber auch und gerade gesetzesförmig nicht zu übersehende
Lücken, Als-Ob-Annahmen und nicht Rechtssicherheit, sondern
wachsende Beliebigkeit fördernde Mehrwertigkeiten als zugleich
Mehrdeutigkeiten
Zusammenfassend
ist festzustellen, dass sämtliche Gesetzesentwürfe
in ihrer derzeitigen Fassung den hohen Anforderungen an einen
Eingriffstatbestand der Zwangsbehandlung nicht genügen.
Zwar ist vor allem der Entwurf des Landes Schleswig-Holstein
als ´fortschrittlich´ zu bezeichnen. Die Behandlung
im Maßregelvollzug nach dem MVollzG des Landes Niedersachsen
darf nicht dazu führen, dass der Kernbereich der Persönlichkeit
angetastet wird. In Schleswig-Holstein stehen, grund- und menschenrechtskorrekt,
alleine die Patienten selbst und nicht Dritte im Entscheidungsfokus.
Die
Vorgaben zur Patientenverfügung des § 1901a BGB und
die Vorgaben des Verfassungsgerichtes werden in erheblichen
Hinsichten nicht vollständig und konsequent eingehalten
(a la: Zwangsbehandlungen müssten „Erfolg“ versprechen;
sie dürften nur das „letzte Mittel“ sein; jeder Zwangsbehandlung
müsse „der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand
und ohne Ausübung unzulässigen Drucks unternommene
Versuch vorausgegangen sein, die auf Vertrauen gegründete
Zustimmung des Untergebrachten zu erreichen“; eine Zwangsbehandlung
müsse gewährleisten, dass der Betroffene vorher rechtzeitig
Rechtsschutz suchen könne; die Zwangsbehandlung müsse
dokumentiert werden; die Notwendigkeit einer Zwangsbehandlung
sei von einem externen Gutachter zu prüfen).
Die
Maßregelvollzugsgesetze der Länder schaffen ebenso
wie die Unterbringungsgesetze bzw. PsychKG´s zwar Eingriffstatbestände
für die Zwangsbehandlung vermeintlich Einwilligungsunfähiger,
lassen aber Standards und Vorgaben zum Begriff und der Definition
der Einwilligungsfähigkeit bereits im Ansatz missen. Eine
solche verbindliche und auch allgemeingültige Standardisierung
des Begriffes der Einwilligungsunfähigkeit wäre aber
Grundvoraussetzung für einen denkbaren derartigen Eingriff
in Grundrechte eines betroffenen Patienten.
Postscriptum
– einige nicht weiter ausgeführte Hinweise. Sie gehen über
den hier geleisteten, Stellung nehmenden Vergleich einiger geplanter
Neufassungen von Ländergesetzen zur Unterbringung psychisch
kranker Menschen und zu ihrem Traktat in Anstalten des Maßregelvollzugs
hinaus. Wollten die Landesgesetzgeber ihre Gesetze so sachgerecht
wie im Jahre 2013 möglich formulieren und verabschieden
und gleicherweise so rechtsicher wie durch allgemeine Gesetze
möglich im normativ und institutionell konstitutiven Kontext
der Verfassung des Grundgesetzes und der allgemein und unmittelbar
geltenden Grund- und Menschenrechte, dann müssten sie nicht
nur, aber auch die folgenden Monita beachten.
I.
Lücken
In
den Gesetzentwürfen wird nicht erkenntlich oder, wenn,
dann eher negativ, dass die Gesetz gebenden Prätendenten
über eine reiche, empirisch gesicherte und international
vergleichende Grundlage zu dem großen und heterogenen
Spektrum verfügten, was heute – wenn der verkürzte
Ausdruck vorübergehend erlaubt ist – an psychisch bedingten
Bewusstseins- und Verhaltensproblemen der Fall ist, die
sich je und je wellengleich auf dem mehrdeutigen Damm psychischer
Behinderungen und Krankheiten bewegen. Ein Hinweis auf das
sich ausfächernde Phänomen der Demenzen von alten
Leuten mag zur Illustration genügen. Unsere, hier nicht
zu belegende oder argumentativ auszuführende These
lautet: es ist falsch, sprich: Es verfehlt die Probleme,
sich auf den angeblich in psychiatrischer Rationalität
gründenden Zwang zu konzentrieren, der gegen psychisch
Behinderte, auch in deren Interesse vonnöten sei. Falsch
ist diese Konzentration zum einen aus grund- und menschenrechtlichen
Kernnormen. Diese schließen Zwang aus, der reine Widerspruch
eines Heilberufs. Falsch ist diese Konzentration außerdem
vor allem, weil sie von den wahren Problemen psychisch potentiell
und aktuell Versehrter wegführt und, recht verstanden
die sich um sie gruppierenden Heilberufe auf radikal falsche
Fährten führt.
Die
Gesetzentwürfe wie in der Regel, die mit psychiatrischen
Fällen befassten Gerichte formulieren und sprechen
Recht auf einer bestenfalls schwankenden, dazuhin von professionellen
Interessen durchsetzten Basis: Der Basis, als ob Psychiatrie
als medizinisch informierte Wissenschaft und diejenigen,
die sie betreiben, in ihren Aussagen und Praxen als Leitrute
richtigen Urteils und Verhaltens in Sachen psychisch bedingte
Verhaltensschwierigkeiten orientierungsstark betrachtet
werden könnten. Es spricht Vieles dafür, die um
psychisch Behinderte kreisenden Berufe analytisch, in diesem
Fall, anamnetisch, in Richtung Heilmittel und Heilpraktiken
nicht nur ernst zu nehmen, sondern zu fördern. Falsch
aber wäre es, ja im Indikativ: ist es, psychiatrischen
Berufen und ihren renomierten Repräsentanten Urteilsvermögen
zuzusprechen, die die Profession und ihre Proessionellen
in dem Sinne auch nur annähernd urteilsfähig,
wissenschaftlich wahrheitsfähig machten, um darauf
Zwangseinrichtungen, unmittelbaren Zwang und Zwangsbehandlungen
zu gründen. Die historisch und gegenwärtig immer
wieder weit verbreiteten Ängste führen nicht nur
weg von einer Reihe erkenntlich selbstverschuldeter Probleme,
sie legitimieren auch den doppelten Schein als könnten
allgemeine Verhaltensprobleme auf psychisch Kranke abschiebend
projiziert werden. Und als bildete die Psychiatrie eine
wohlgefällige Polizei menschlicher Probleme, obgleich
gerade vorgenannte Zwangsfixierung uns alle, insbesondere
die zuständigen Instanzen von alleine fleißig
machte, sie so anzugehen, dass Problemkulminationen nicht
entstünden, die den Zwang dem interessierten und hilflosen
Anschein nach zur einzigen Möglichkeit der Unmöglichkeit
zu machen scheinen. Dabei bedarf es nicht nur sorgsamer
genauer Rückblicke bis zur Nationalsozialistischen
„Euthanasie“ und weit hinter sie zurück, ja auch rund
um die bundesdeutsche Ecke, um einzusehen, dass wir unsere
Probleme nicht los werden, indem wir sie zwangsweise an
die Randgruppen abschieben, die dadurch erst zu den Randgruppen
werden.
II.
Pseudoprobleme und Pseudolösungen
Zuerst
sollte sich niemend ein X für ein U vormachen, als
gäbe es keine „Alternative“ zum Zwang, wenn Menschen
einsichtslos verstockt erscheinen. Wegschließen, mit
Gewalt behandeln, belegt nur einen Mangel an sozialer Phantasie
und eigene, gewaltförmige Verklemmungen. Ein Blick
in die „Naturtatsache“ qua Demographie der Altersdemenz
kann lehren, welche Bedingungen genetisch und funktional
erklären, wie es zu von Demenzkranken überfüllten
Pflegeheimen, zur Altersgewalt und zum gewalthaften Umgang
mit alten Menschen kommt. Bei Letzterem spielen bei weitem
mehr als staatlich diverse formen privater Gewalt einschließlich
verabreichter Neuroleptika eine wichtige Rolle. Sie stellen
die unruhigen Alten zeiteffizient still. Allgemein gilt:
Das, was sich Psychiatrie mit fachwissenschaftlichen Anspruch
nennt, könnte sich als aufs Heilen behinderter Menschen
erpichte, fundierte Praxis etablieren, schwämme sie
sich nicht nur in einigen herausragenden Vertreterinnen
und Vertretern zwangsfrei.
Die
ultima ratio wirkt wie ein wundersamer legitimatorischer
Placeboeffekt. Wörtlich ist es die Rationalität,
die gerade noch besteht, wenn alle anderen Möglichkeiten
ausgeschöpft sind. Zuerst: Könnte es nicht sein,
dass Zwang an anderen Menschen geübt, gerade keine
Rationalität mehr besitzt? Zum zweiten: Sind tatsächlich
alle menschlichen Möglichkeiten ausgeschöpft worden?
Ein Blick auf Zwangsfälle genügt. Dann ist zu
entdecken, wie eng das Spektrum der Möglichkeiten begrenzt
ist. Zeit, Geld, Effizienz – die Ökonomische Behandluung
kennt fast keine Grenzen. Könnte nicht sie daran schuld
sein, dass lieber mit dem professionalisiert gedämpften
Schrecken des unmittelbaren Zwangs gearbeitet wird, um mögliche
Folgeprobleme los zun werden? Denn man hat ja – die „Logik“
der ultima ratio – angeblich alles versucht. Zum dritten,
wer entscheidet denn über den Zwang? Von den genetisch
erzeugten Zwangssituationen zu schweigen, darf die Zwangsentscheidung,
wenn sie schon die Person des Gezwungenen negiert und also
ihre Würde nicht nur antastet, sondern aufhebt – angeblich
mit dem dann nicht mehr möglichen Ziel einer verordneten
restitutio in integrum – von abgehobenen Berufen selbst
des Rechts ge-, nein erfunden werden? Je länger man
sich über dieses wundersame Absolutum, abgehoben von
allem menschlich Relativen besinnt, das uns ein festes Ruhekissen
geben könnte, desto klarer, ja desto einsichtiger wird:
Das „Absolute“ der angeblich interessefreien ultima ratio
ist das ens relativum schlechthin, überaus situations-,
ziel-, mittel- und vorstellungsabhängig.
Vorbehaltsringelreihen,
damit man sich selbst in den Schlaf singe, der naturzwangsweise
die Augen zufallen macht. Im 2. Absatz dieser Zusammenfassung
haben wir eine Reihe der Vorbehalte zitiert, die das Bundesverfassungsgericht
anführt, Vorbehalte, die gelöst sein müssten,
um Zwang um sechs Ecken herum doch zu erlauben. Wenn damit
der Trick des Sisyphos verbunden sein sollte, der den immer
erneut berghoch gerollten Stein ebenso immer erneut herunterkullern
weiß – es sei denn, man hielte ihn für dumm –
dann geben diese Vorbehalte die Devise vor: von den Mühen
schließlich dann doch zum Zwang befreit. Im Sinne
des Gesetzes und der ihm „rechtssicher“ folgenden Psychiater.
Da heißt es: Zwangsbehandlungen müssten Erfolg
versprechen. Was aber heißt Erfolg? Und wer entscheidet
über diesen? Und dies gar vorweg? Dann ist erneut vom
„letzten Mittel“ die Rede. Darüber haben wir gerade
vorletzt gehandelt. Erneut stellt sich die ganze Skala der
Zuständigkeits-, der Wissens-, der Kriterien- und der
Entscheidungsfragen. Danach ist trefflich davon die Rede,
dass der sogleich Gezwungene ohne Druck zustimmen solle.
Nichts wird darüber gesagt, was, wenn er dennoch nicht
zustimmt. Auch das Bundesverfassungsgericht tut so, als
stünde das Ergebnis, das da lautet: „Zustimmung“, vorweg
fest. Wie soll der demnächst Zwangsgeschlagene zur
Peitsche Liebe empfinden? Ist das anders als J. J. Russeau´s
„gezwungen, frei zu sein“? Jedes folgende Wort ist gleicherweise
voraussetzungsreich: a la Rechtsschutz, a la dem neuen Glauben
des Informationszeitalters, bürokratisch eingerichtet,
der Dokumentation. Von den Pfegeheimen weiß man, dass
gerade die besten Pflegerinnen und Pfleger die Dokumentation
ihrer tayloristischen Hetze, wenn nicht abends müde,
dann mit trickreichen, aber geforderten Formeln wunderschön
hinschmieren. Und wie verhält es sich mit der gleichermaßen
modischen Korruptionssperre, einem externen Gutachter? Dabei
ist man froh, dass wenigstens das Bundesverfassungsgericht,
institutionell und funktional die Grund- und Menschenrechte
nicht wie mobil-flexible Stolpersteine hin- und herschiebt,
um spätere Stolpersteine des reuigen, indes folgenlosen
Gedenkens zu vermeiden.
Wir
brechen auch hier ab. Was gilt, trotz sytematischem Missbrauch
gültig war und, so hoffen wir, gültig bleiben
wird, ist in einem kurzen Satz mit langem Inhalt zu formulieren:
Zwang gegen andere Menschen, auch Selbstzwang, wenn er als
solcher kenntlich würde, ist in einer Gesellschaft
und ihrer Politik nicht positiv zu lizensieren, solange
sie sich selbst aus krummem Holz geschnitzt ernst nimmt.
Darum gilt die altrömische Mahnung an alle politischen
Repräsentanten: sie mögen darauf achten, dass
Grundrechte und Demokratie keinen Schaden nehmen. Psychiatrisch
wie immer begründeter Zwang wäre ein solcher Schaden.
Und er wirkte fort.
Gez.
Wolf-Dieter Narr
Gez.
RA Thomas S a s c h e n b r e c k e r
Friedrichstr. 2
76275 Ettlingen www.psychiatrierecht.de
i
BVerfG, 2 BvR 228/12 Beschluss
vom 20.2.2013, BVerfGE 128, 282 S. 300; 129, 269 S. 280.
ii
BVerfG, BVerfGE 128, 282-322 S. 317 (Beschluss vom 23. März
2011 – 2 BvR 882/09)
xiv
BVerfG 2 BvR 228/12; zuvor schon BVerfG 2 BvR 2362/11 Beschluss
vom 15.12.2011
xv
BGH XII ZB 99/12 und BGH XII ZB 130/12 Beschlüsse vom
20.06.2012
xvi
Inzwischen novelliert durch das am 26.02.2013 in Kraft getretene
„Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung
in eine ärztliche Zwangsmaßnahme“ vom 18.02.2013,
Bundesgesetzbl. 2013 Teil I Nr. 9
xvii
BGH XII ZB 99/12 und BGH XII ZB 130/12 Beschlüsse vom
20.06.2012
xlv
BGH, Beschl. v. 01.02.2006 – XII ZB 236/05 – Heitmann, jurisPR-FamR
9/2006 Anm. 1
xlvi
BVerfG, 2 BvR 633/11 Beschluss vom 12.10.2011
xlvii
Sachs, Grundrechte: Körperliche
Unversehrtheit und Selbstbestimmung JuS 2011, 1047
xlviiiBVerfG, 2 BvR 2362/11
vom 15.12.201 Abs. Nr. 6
xlix
BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 2 BvR 228/12
l
BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 2 BvR 228/12
li
LG Potsdam 20 Vollz 2/12 Beschluss vom 4. Januar 2013
lii
Deutscher Richterbund Aktuell, Ausgabe 11/2012
liii
Falkai, P.: Verfahren Transparenter
gestalten, Presseerklärung der DGPPN vom 19.11.2012
liv
Falkai, P.: Memorandum der Deutschen Gesellschaft für
Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde(DGPPN) vom
18.10.2012
lv
J. Müller (Göttingen), N. Saimeh (Lippstadt), N.
Nedopil (München), Frank Schneider (Aachen), P. Falkai
(Göttingen): Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft
für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
vom 16.01.2012
lxi
Deutsches Institut für Menschenrechte, Stellungnahme
der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention anlässlich
der Öffentlichen Anhörung vom 10. Dezember
2012, im Rahmen der 105. Sitzung des Rechtsausschusses des
Deutschen Bundestages
lxii
Statement by Mr. Juan E. Méndez, Special Rapporteur
on Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment
or Punishment, 22 nd session of the Human Rights Council,
Agenda Item 3, 4 March 2013, Geneva
lxiii
Nešković, Der Wille des Patienten geht vor – Der
Tagesspiegel, 29.11.2012
lxiv
Narr et al. Behinderung, Menschenrechte und Zwang 2011
lxix
Begründung des Gesetzesentwurfs:
„Unabhängig davon besteht die Gefahr, dass Patienten
mit paranoiden Zustandsbildern verstärkt fremdaggressiv
reagieren, so dass mit einem erhöhten Deliktaufkommen
durch diesen Personenkreis zu rechnen ist.“
lxx
Deutsches Institut für Menschenrechte, Stellungnahme
der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention anlässlich
der Öffentlichen Anhörung vom 10. Dezember 2012,
im Rahmen der 105. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen
Bundestages
lxxii
BVerfG, 2 BvR 633/11 vom 12.10.2011: „In Deutschland existieren,
nachdem von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in den neunziger
Jahren initiierte Versuche zur Etablierung medizinischer Standards
für Zwangsbehandlungen nicht zu einem Ergebnis geführt
haben (vgl. Steinert, in: Ketelsen/Schulz/Zechert, Seelische
Krise und Aggressivität, 2004, S. 44 <47>), keine
medizinischen Standards für psychiatrische Zwangsbehandlungen,
aus denen mit der notwendigen Deutlichkeit hervorginge, dass
Zwangsbehandlungen mit dem Ziel, den Untergebrachten entlassungsfähig
zu machen, ausschließlich im Fall krankheitsbedingter
Einsichtsunfähigkeit zulässig sind.“
lxxiii
BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 2 BvR 228/12 -, juris
(Rn 60)
lxxiv
Falkai, Zwangsmaßnahmen: Verfahren transparent gestalten
Presse-Information Nr. 47 /19.11.2012 der DGPPN
lxxv
Mittag, Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an psychiatrische
Zwangsbehandlungen im Betreuungsrecht R & P (2012) 30
S. 197 , S. 201
lxxvii
Vgl. zum Ganzen: Dr. Schneider Addae-Mensah, a.a.O.
lxxviii
BVerfG 2 BvR 882/09, Beschluss
vom 23.03.2011
lxxix
BVerfG 2 BvR 882/09, Beschluss vom 23.03.2011
lxxx
BVerfG 2 BvR 882/09, Beschluss vom 23.03.2011
lxxxi
Dr. Schneider-Addae-Mensah a.a.O.: „Konsequent wäre es
daher gewesen, die Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka aus
Verhältnismäßigkeitsgründen generell
für verfassungswidrig zu erklären“.
lxxxix
Begründung des Gesetzesentwurfs MVollzG Niedersachsen:
“ um Regelungen zu ergänzen für die Fälle,
in denen eine Einsichtsunfähigkeit oder eine gegenwärtige
erhebliche Gefahr für den Untergebrachten selbst oder
für andere Personen besteht.“
xc
BVerfG, 2 BvR 633/11 vom 12.10.2011: „In Deutschland existieren,
nachdem von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in den neunziger
Jahren initiierte Versuche zur Etablierung medizinischer Standards
für Zwangsbehandlungen nicht zu einem Ergebnis geführt
haben (vgl. Steinert, in: Ketelsen/Schulz/Zechert, Seelische
Krise und Aggressivität, 2004, S. 44 <47>), keine
medizinischen Standards für psychiatrische Zwangsbehandlungen,
aus denen mit der notwendigen Deutlichkeit hervorginge, dass
Zwangsbehandlungen mit dem Ziel, den Untergebrachten entlassungsfähig
zu machen, ausschließlich im Fall krankheitsbedingter
Einsichtsunfähigkeit zulässig sind.“
civ
vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 2 BvR 228/12
-, juris
cv
Lipp, BtPrax 2005, S. 6 f.; ders. Stellungnahme zum Entwurf
eines Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung
in eine ärztliche Zwangsmaßnahme (BT-Drucksache
17/11513) aus Anlass der öffentlichen Anhörung im
Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags am 10.12.2012