Bundesarbeitsgemeinschaft
Psychiatrie-
Erfahrener e.V.
Nächste Mitgliederversammlung:
Dienstag, den 4.2.2025 um 17h
Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin
Fax: 030-782 8947
www.die-bpe.de
Ähnliches Statement der International Association Against Psychiatric Assault:
ENGLISH | ITALIANO | SVENSK
29. März 2007
Presseerklärung:
Die UN Behindertenkonvention nur ratifizieren, wenn gleichzeitig alle psychiatrischen Sonder-Entrechtungsgesetze abgeschafft werden
Morgen wird in New York die von der UN Generalversammlung am 13.12.2006 verabschiedete „Convention on the Protection and Promotion of the Rights and Dignity of Persons with Disabilities“1 von der deutschen Regierung paraphiert. Mit dieser Unterzeichnung beginnt die Zeit, in der in der deutschen Politik diese Convention und deren politische Implikationen diskutiert wird, um am Ende dieses Prozesses die Convention durch den Gesetzgeber zu ratifizieren, oder dies entgegen der bisherigen Unterstützung beim Zustandekommen der Convention zu unterlassen.
Da es in der Convention um die Menschenrechte behinderter Menschen geht, muss vor allem die systematische und flächendeckende Verletzung dieser Menschenrechte durch die Gesetzgebung zur Legalisierung psychiatrischer Zwangsmaßnahmen – Zwangseinweisung und Zwangbehandlung – sowie willkürliche Strafverlängerung durch forensische Psychiatrie beendet werden. Wenn die Convention in Deutschland ratifiziert und damit Gesetz werden sollte, ohne dass die psychiatrischen Sondergesetze gleichzeitig außer Kraft gesetzt werden, würde sich die Convention in ihr Gegenteil verkehren: sie würde zu einem weiteren Instrument gegen die Rechte, die Menschenrechte, der Menschen werden, die als angeblich „psychisch krank“ psychiatrisch-medizinisch verleumdet werden. Diese „Diagnosen“ werden in der Convention mit dem Begriff „Behinderung“ bezeichnet (Artikel 1, Abs. 2): Der Begriff behinderte Menschen umfasst Menschen mit langfristigen körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesschädigungen,· [Fett hinzugefügt]
Die Convention wendet sich explizit gegen die rechtliche Diskriminierung von Behinderten (Artikel 2, Abs. 3): „Diskriminierung auf Grund einer Behinderung“ bezeichnet jede Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung auf Grund einer Behinderung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass die auf die Gleichberechtigung mit anderen gegründete Anerkennung, Inanspruchnahme oder Ausübung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, staatsbürgerlichen oder jedem anderen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird.
Die Convention untersagt damit explizit die Möglichkeiten, die das Grundgesetz zur Aufhebung der Grundrechte durch ein Gesetz offen gelassen hat, wenn diese gesetzlichen Sonderregelungen eine „Behinderung“ zum Kriterium haben. Genau das ist aber der Fall bei den psychiatrischen Sondergesetzen: sowohl die PsychKG´s als auch die forensischen Sondergesetze § 126 StPO und § 63 StGB haben als notwendige Bedingung ein psychiatrisches Gutachten bzw. eine zwangsweise Begutachtung dafür. Sie sind demzufolge abzuschaffen, denn sie widersprechen der Convention.
Darüber hinaus verpflichtet die Convention einen ratifizierenden Staat in Artikel 12 dazu:
Gleiche Anerkennung vor dem Recht
1. Die Vertragsstaaten bekräftigen, dass behinderte Menschen das Recht haben, überall als Rechtssubjekt anerkannt zu werden.
2. Die Vertragsstaaten erkennen an, dass behinderte Menschen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen.
Damit muss jede Zwangsentmündigung, irreführend „Betreuung“ genannt, und die damit ermöglichte Zwangseinweisung und Zwangsbehandlung nach Betreuungsrecht, unterbunden werden und kann auch nicht mehr zynisch als „Schutz“ und zum angeblichen „Wohl“ der Betroffenen ausgegeben und legitimiert werden. Es muss also der § 1896 Absatz 1a BGB entsprechend unserer Forderung aus dem Jahr 2004 geändert werden: „Gegen den erklärten Willen2 des Volljährigen darf ein Betreuer weder bestellt, noch eine Betreuung aufrechterhalten werden.“
Zur Unterstützung dieser Rechtsauffassung der Convention haben wir ein Rechtsgutachten bei einem auf internationales Menschenrecht spezialisierten Juristen in Auftrag gegeben.
Wir bitten Behindertenorganisationen dringend, gegen eine Ratifizierung der Convention in der BRD Stellung zu beziehen, wenn sie nicht erfüllt, was darin versprochen wird: rechtliche Diskriminierungsfreiheit. Rechtliche Diskriminierung wird in ihrer radikalsten, brutalsten und menschenverachtendsten Form in Deutschland durch die Gesetze zur Legalisierung der Zwangspsychiatrie ausgeübt. Wenn Behindertenorganisationen hingegen auf eine schnelle Ratifizierung drängen sollten, weil sie sich Effekte positiver Diskriminierung von der Convention erhoffen, wäre eine Ratifizierung ohne die Abschaffung der Zwangspsychiatrie zu einem unerträglichen Preis erkauft: der Fortsetzung der Barbarei der Zwangspsychiatrie, deren folterartige Praxis und Ableugnung der Selbstbestimmung von Menschen, die als angeblich „psychisch krank“ psychiatrisch-medizinisch verleumdet werden.
Eine Ratifizierung unter Beibehaltung der psychiatrischen Sondergesetze würde die Convention zu einer zynischen Karikatur machen: Die Convention würde zu einem zusätzlichen Verdeckungs- und Vertuschungsinstrument psychiatrischer Gewalt werden.
Sie würde zu einem Teil des Problems anstatt zu seiner Lösung beizutragen.
1. Originaltext der Convention: www.un.org/disabilities/default.asp?id=199
Deutsche Übersetzung: vom Server des Deutschen Instituts für Menschenrechte
2. Der „erklärte Wille“ als nicht weiter qualifizierte Willensäußerung entspricht dem im Juristendeutsch gebräuchlichen „natürlichen Willen“
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin
Fax: 030-782 8947
www.die-bpe.de
Ähnliches Statement der International Association Against Psychiatric Assault:
ENGLISH | ITALIANO | SVENSK
29. März 2007
Presseerklärung:
Die UN Behindertenkonvention nur ratifizieren, wenn gleichzeitig alle psychiatrischen Sonder-Entrechtungsgesetze abgeschafft werden
Morgen wird in New York die von der UN Generalversammlung am 13.12.2006 verabschiedete „Convention on the Protection and Promotion of the Rights and Dignity of Persons with Disabilities“1 von der deutschen Regierung paraphiert. Mit dieser Unterzeichnung beginnt die Zeit, in der in der deutschen Politik diese Convention und deren politische Implikationen diskutiert wird, um am Ende dieses Prozesses die Convention durch den Gesetzgeber zu ratifizieren, oder dies entgegen der bisherigen Unterstützung beim Zustandekommen der Convention zu unterlassen.
Da es in der Convention um die Menschenrechte behinderter Menschen geht, muss vor allem die systematische und flächendeckende Verletzung dieser Menschenrechte durch die Gesetzgebung zur Legalisierung psychiatrischer Zwangsmaßnahmen – Zwangseinweisung und Zwangbehandlung – sowie willkürliche Strafverlängerung durch forensische Psychiatrie beendet werden. Wenn die Convention in Deutschland ratifiziert und damit Gesetz werden sollte, ohne dass die psychiatrischen Sondergesetze gleichzeitig außer Kraft gesetzt werden, würde sich die Convention in ihr Gegenteil verkehren: sie würde zu einem weiteren Instrument gegen die Rechte, die Menschenrechte, der Menschen werden, die als angeblich „psychisch krank“ psychiatrisch-medizinisch verleumdet werden. Diese „Diagnosen“ werden in der Convention mit dem Begriff „Behinderung“ bezeichnet (Artikel 1, Abs. 2): Der Begriff behinderte Menschen umfasst Menschen mit langfristigen körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesschädigungen,· [Fett hinzugefügt]
Die Convention wendet sich explizit gegen die rechtliche Diskriminierung von Behinderten (Artikel 2, Abs. 3): „Diskriminierung auf Grund einer Behinderung“ bezeichnet jede Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung auf Grund einer Behinderung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass die auf die Gleichberechtigung mit anderen gegründete Anerkennung, Inanspruchnahme oder Ausübung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, staatsbürgerlichen oder jedem anderen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird.
Die Convention untersagt damit explizit die Möglichkeiten, die das Grundgesetz zur Aufhebung der Grundrechte durch ein Gesetz offen gelassen hat, wenn diese gesetzlichen Sonderregelungen eine „Behinderung“ zum Kriterium haben. Genau das ist aber der Fall bei den psychiatrischen Sondergesetzen: sowohl die PsychKG´s als auch die forensischen Sondergesetze § 126 StPO und § 63 StGB haben als notwendige Bedingung ein psychiatrisches Gutachten bzw. eine zwangsweise Begutachtung dafür. Sie sind demzufolge abzuschaffen, denn sie widersprechen der Convention.
Darüber hinaus verpflichtet die Convention einen ratifizierenden Staat in Artikel 12 dazu:
Gleiche Anerkennung vor dem Recht
1. Die Vertragsstaaten bekräftigen, dass behinderte Menschen das Recht haben, überall als Rechtssubjekt anerkannt zu werden.
2. Die Vertragsstaaten erkennen an, dass behinderte Menschen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen.
Damit muss jede Zwangsentmündigung, irreführend „Betreuung“ genannt, und die damit ermöglichte Zwangseinweisung und Zwangsbehandlung nach Betreuungsrecht, unterbunden werden und kann auch nicht mehr zynisch als „Schutz“ und zum angeblichen „Wohl“ der Betroffenen ausgegeben und legitimiert werden. Es muss also der § 1896 Absatz 1a BGB entsprechend unserer Forderung aus dem Jahr 2004 geändert werden: „Gegen den erklärten Willen2 des Volljährigen darf ein Betreuer weder bestellt, noch eine Betreuung aufrechterhalten werden.“
Zur Unterstützung dieser Rechtsauffassung der Convention haben wir ein Rechtsgutachten bei einem auf internationales Menschenrecht spezialisierten Juristen in Auftrag gegeben.
Wir bitten Behindertenorganisationen dringend, gegen eine Ratifizierung der Convention in der BRD Stellung zu beziehen, wenn sie nicht erfüllt, was darin versprochen wird: rechtliche Diskriminierungsfreiheit. Rechtliche Diskriminierung wird in ihrer radikalsten, brutalsten und menschenverachtendsten Form in Deutschland durch die Gesetze zur Legalisierung der Zwangspsychiatrie ausgeübt. Wenn Behindertenorganisationen hingegen auf eine schnelle Ratifizierung drängen sollten, weil sie sich Effekte positiver Diskriminierung von der Convention erhoffen, wäre eine Ratifizierung ohne die Abschaffung der Zwangspsychiatrie zu einem unerträglichen Preis erkauft: der Fortsetzung der Barbarei der Zwangspsychiatrie, deren folterartige Praxis und Ableugnung der Selbstbestimmung von Menschen, die als angeblich „psychisch krank“ psychiatrisch-medizinisch verleumdet werden.
Eine Ratifizierung unter Beibehaltung der psychiatrischen Sondergesetze würde die Convention zu einer zynischen Karikatur machen: Die Convention würde zu einem zusätzlichen Verdeckungs- und Vertuschungsinstrument psychiatrischer Gewalt werden.
Sie würde zu einem Teil des Problems anstatt zu seiner Lösung beizutragen.
1. Originaltext der Convention: www.un.org/disabilities/default.asp?id=199
Deutsche Übersetzung: vom Server des Deutschen Instituts für Menschenrechte
2. Der „erklärte Wille“ als nicht weiter qualifizierte Willensäußerung entspricht dem im Juristendeutsch gebräuchlichen „natürlichen Willen“